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dem erkannten Vorurteil frei zu machen. Mir scheint, daß er ein Mann von ganz
eminenter Begabung, von einer ebenso seltenen als schätzenswerten Willenskraft
ist. Ich halte ihn für einen großen Patrioten, der mit unbedingtester Hingebung
für die Größe seines Staates arbeitet, und für mich wenigstens ist die Macht
Preußens von der Größe Deutschlands nicht getrennt zu denken.“ Auf der
andern Seite besitze Bismarck freilich eine Eigenschaft, die Vertrauen zu ihm
nicht aufkommen lasse: es fehle ihm der Sinn und das Verständnis für die
moralischen Kräfte, die in dem Volke für Recht und Freiheit sich geltend machen.
Er mißachte die ihm nicht verständliche Macht, „er ist aber nicht Doktrinär
der Reaktion. Ich verzweifle nicht, daß er auch in dieser Beziehung noch lernen
wird.“
Nach Jollys Ernennung zum Präsidenten des Ministeriums des Innern,
Kirchen= und Schulwesens (27. Juli 1866) brachten ihn die Bestrebungen in
Betreff der Aufnahme Badens in den Norddeutschen Bund zuerst auch in
geschäftliche 1) Verbindungen mit Bismarck, die nach Ausbruch des Krieges mit
1) Seit Ablehnung der Mathyschen Anfrage über den Eintritt Badens in den
Norddeutschen Bund that Jolly in Berlin keine Schritte mehr, bezweifelte aber nach wie vor
die Richtigkeit der ablehnenden Haltung Bismarcks. Nach einem Briefe des Professors
Baumgarten an Sgybel, d. d. 11. August 1870, wies Bismarck den preußischen Gesandten
in Karlsruhe an, allen Maßnahmen der badischen Regierung zuzustimmen, da er volles
Vertrauen auf dieselbe habe. In einer aus Rheims am 12. Sept. 1870 an den preußischen
Gesandten in Karlsruhe gerichteten Note meinte Bismarck, auf baldigen Frieden sei noch
nicht zu rechnen, weil in Frankreich keine Regierung vorhanden sei, deren Abmachungen
dort allseitig anerkannt würden. Seinerzeit werde der König von Preußen die deutschen
Fürsten zu persönlicher Vereinbarung des Friedensprogramms einladen. Der Inhalt der
von Jolly verfaßten und von diesem Bismarck überreichten Denkschrift sei im wesentlichen
zu billigen, namentlich daß vor allem die südwestdeutsche Grenze zu sichern, deshalb
Straßburg und Metz zu nehmen und kein neutraler Staat zu bilden sei. Preußen wünsche
aber ebensowenig wie die süddeutschen Staaten sich zu vergrößern. „Die definitive Be-
stimmung über das für Deutschlands bessere Verteidigung gegen den nächsten Angriff der
Franzosen erstrebte Vorland, von dessen Einwohnern auf längere Zeit hinaus keine parla-
mentarische und militärische Mitwirkung für deutsche Interessen zu erwarten sein dürfte,
wird der gemeinsamen Verständigung der deutschen Fürsten vorbehalten bleiben können.
Einstweilen wird dasselbe als gemeinsames unmittelbares Reichsland im Namen und zum
Vorteil der Gesamtheit der deutschen Verbündeten zu verwalten sein.“ Auch der Kanzler
sei überzeugt, daß die gemeinsame Kriegführung die dauernde Einigung Deutschlands
fördern werde, ohne daß von irgend einer Seite Zwang oder Druck geübt werde. „Auch
in dieser Hinsicht wird die gemeinsame und persönliche Verständigung der deutschen Fürsten
nicht ohne Frucht bleiben.“ Die Initiative komme den süddeutschen Regierungen zu, deren
freien Willen Preußen in Sache und Form achten werde. Baden könne die Entwicklung
fördern, wenn es die bayerische Regierung zur Aussprache ihrer Auffassung über das
künftige Verhältnis Süddeutschlands zum Norden bewegen könne. Aber bereits am 2. Ok-
tober 1870 eröffnete der preußische Gesandte in Karlsruhe der badischen Regierung auf
Grund eines eben aus dem Hauptauartier erhaltenen Telegramms, daß nunmehr ein Antrag