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für den Antrag, aber zugleich für die Ausdehnung der Enquête auf die Baum-
wollenindustrie aus. Der Bericht führte aus, wie hinsichtlich dieses Industrie-
zweiges noch weit weniger Informationen als in Betreff der Eisenindustrie
vorlägen. So fehlten insbesondere zuverlässige Materialien, welche ein richtiges
und vollständiges Urteil über die Lage der Baumwollenindustrie gestatten würden.
Wenn anzuerkennen sei, daß die Situation der Eisenindustrie durch die in den
letzten Jahren eingetretenen Zollherabsetzungen und Zollbefreiungen eine wesent-
liche Aenderung erfahren habe, so habe der Anschluß von Elsaß-Lothringen an
das deutsche Zollgebiet auf die Lage der Baumwollenindustrie im gesamten
Deutschen Reich einen nicht minder weittragenden Einfluß ausgeübt. Nach
übereinstimmenden Angaben sei die Produktion der Baumwollenindustrie in
Deutschland durch den Hinzutritt von Elsaß-Lothringen um 56 Prozent gesteigert
worden. Von den Industriellen der Reichslande werde behauptet, daß die dortige
Industrie infolge der bestehenden Zollgesetzgebung zurückgehe, und auch von
anderer Seite werde für die Herbeiführung einer rationelleren Bemessung der
Zölle für Baumwolle, Garne und Stoffe lebhaft agitirt. Der Rückgang der
Spinnerei zu ordinären Gespinnsten werde von sämtlichen Beteiligten dem ein-
heitlichen Zollsatze für alle Nummern der Baumwollgarne zugeschrieben. Wolle
man aber einer Abhilfe dieser Beschwerden näher treten, so seien die einander
widerstreitenden Interessen der Baumwollspinner, -Weber und -Drucker der sorg-
fältigsten Erörterung zu unterziehen. Zu einer allseitigen und unbefangenen
Prüfung und Würdigung dieser Verhältnisse bietet nach Ansicht der Majorität
die Enquete den geeignetsten Weg.
Demgegenüber erklärte eine freihändlerisch gesinnte Minderheit von
Ausschußmitgliedern eine Enquêète in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage
weder für erwünscht noch im Bedürfnisse für begründet. Unerwünscht sei diese
Spezialenquete, weil sie mit Notwendigkeit auf allen anderen Gebieten der
industriellen Thätigkeit das Streben nach Veranstaltung von Enquêten befördern
und schließlich zu einer auch von der Königlich preußischen Regierung gemiß-
billigten Generalenqubte führe. Die Zolltarifreform des Jahres 1873 habe
sich keineswegs auf die Eisenindustrie beschränkt. Es sei damals der Zollsatz
von kalcinirter Soda erheblich ermäßigt, der Ausgangszoll für Lumpen auf-
gehoben und die Stärke vom Eingangszoll befreit worden. Alle durch diese
Reformen berührten Industriezweige würden sich daher mit der Eisenindustrie
in gleicher Lage fühlen und mit demselben Recht auch für ihre Verhältnisse
eine Erörterung der Frage, ob ein innerer Zusammenhang zwischen ihrer Not-
lage und den stattgehabten Zollveränderungen bestehe, fordern. Aber auch alle
übrigen Industriezweige seien durch die schwere wirtschaftliche Krisis, welche sie
alle betroffen habe, zu der Frage gedrängt, ob eine Erhöhung des bestehenden
Zollschutzes nicht zu einer leichteren und schnelleren Ueberwindung der Notlage
führen dürfte. Ob man das, was man der Eisenindustrie gewähren wolle,