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hervorgetreten. Eine Revision des Arzneibuchs von 1872 erscheint deshalb
geboten. Zu diesem Behufe wird eine aus Apothekern, Chemikern, Pharma—
kologen und in der Praxis bewährten Aerzten und Klinikern bestehende
Kommission zu berufen sein.“ Der Reichskanzler ersuchte den Bundesrat, sich
mit einem solchen Vorgehen einverstanden zu erklären. 1)
12. Rückblick.
Die VII. Session des Bundesrats fällt in wenig freudige Zeiten. Das
Jahr 1877/78 war ein Jahr des Krieges und allseitiger Kriegsbesorgnisse, ein
Jahr politischer Unruhe und Erregung und starker wirtschaftlicher Depression.
Erst gegen den Schluß zeigten sich Lichtblicke: die Sicherung des Friedens
durch den Berliner Vertrag (13. Juli 1878), die fortschreitende Genesung des
Kaisers und die Klärung der wirtschaftlichen Anschauungen dank der kräftigen
Initiative des Reichskanzlers.
Im einzelnen ist über die Früchte der Session folgendes zu bemerken:
Unter den Aufgaben, welche die vorige Reichstagssession der neuen Session
ausdrücklich vorbehalten hatte, stand in erster Linie die Lösung gewisser Fragen
der Gewerbeordnung. Das gesteckte Ziel: auf der Grundlage der Gewerbe-
ordnung diejenigen Verbesserungen einzuführen, welche auf dem Boden der
Gewerbefreiheit, mit den Hilfsmitteln, die der Staat zu gewähren befähigt ist,
erreicht werden können, damit der Handwerkerstand selbst in sittlicher Arbeit
seine gebührende Stellung zurückerobere, wurde vom Bundesrat energisch erstrebt
und vom Reichstag nur in einem Punkte (Gewerbegerichte) vereitelt.
Die vor sechs Jahren begonnene Münz= und Bankreform konnte
mit dem Anfang des Jahres 1878 in ihren wichtigsten Teilen als durchgeführt
bezeichnet werden.
Auf dem Gebiete des Justizwesens haben wir das Zustandekommen
der Rechtsanwaltsordnung zu verzeichnen und ein stetiges Fortschreiten der
Arbeiten an dem Bürgerlichen Gesetzbuch.
Wiederholt waren die verbündeten Regierungen an den Reichstag mit
Vorschlägen herangetreten, um den Gefahren der Sozialdemokratie
durch schärfere Strafbestimmungen entgegenzuwirken. Es geschah dies bei Ge-
1) Bundesratsverhandlungen, betreffend die Ausgrabungen zu Olympia, s. „Nat.-Ztg.“
Nr. 127 v. 16. 3. 78; über die Statistik der Bergwerke, Salinen und Hütten Nr. 560
v. 29. 11. 77; betreffend ein Abkommen mit der Schweiz über die Behandlung des porto-
pflichtigen Schriftwechsels zwischen deutschen und schweizerischen Behörden Nr. 532
v. 13. 11. 77 und Nr. 31 v. 19. 1. 78. Vorlage des Reichskanzlers, betreffend die
Ehrenzulage an die Inhaber des Eisernen Kreuzes von 1870/71 „Nordd. Allg. Ztg.“
Nr. 166 v. 16. 7. 78, „Nat.-Ztg.“ Nr. 195 v. 27. 4. 78; desgl. betreffend die Be-
glaubigung öffentlicher Urkunden „Nat.-Ztg.“ Nr. 19 v. 12. 1. 78.