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und Vizepräsidium auf der einen und zwischen der Reichsleitung und den
Reichsfinanzen auf der andern Seite hergestellt werde.
Außerdem genehmigte der Bundesrat noch den Ausbau der Behörden-
organisation im Reich durch Bewilligung der Mittel für die Errichtung des
Reichsschatzamts und der Reichskanzlei.
Das Bedürfnis und die Notwendigkeit der Finanzreform im Reich
beruhte nach der Auffassung des Fürsten Bismarck und der verbündeten
Regierungen auf zwei gleichmäßig berechtigten Forderungen: die eine war die
der Selbständigkeit der Reichsfinanzverwaltung und zu diesem Zweck der Ver-
mehrung der eigenen Einnahmen des Reichs, damit das Reich nicht ferner
genötigt sei, „die Beiträge vor den Thüren der Einzelstaaten einzusammeln“,
— die zweite Forderung war die, daß die Vermehrung der Reichseinnahmen
auf dem Wege stärkerer Heranziehung gewisser dazu vorzugsweise geeigneten
indirekten Steuern erfolge, um damit zugleich die immer steigenden An-
forderungen der direkten Besteuerung im Staate sowie in den Kreis= und
Kommunalverbänden vermindern zu können.
An dem guten Willen des Bundesrats zur Realisirung dieser Absichten
sollte es nicht fehlen. Seine Vorlagen nahmen zwei Gebiete der indirekten
Steuern in Aussicht: die Stempelabgabe und die Tabaksteuer. Die Ver-
handlung im Reichstag über die letztere schloß mit der Ueberweisung der Vorlage
an die Budgetkommission, was einem stillen Begräbnis derselben gleichkam. Ueber
den Entwurf einer Reichsstempelabgabe einigte sich der Bundesrat nur mit
Widerstreben, und nach Ausscheidung der Abgabe von Veräußerungen der
Immobilien und der Erbschaftssteuer und verschiedener anderen Stempelabgaben.
Aber auch von dem wenigen, was von dem urspünglichen preußischen Antrag
übrig blieb, ging im Reichstag nur der Gesetzentwurf, betreffend den Spiel-
kartenstempel, durch, während der Vorschlag der Erhebung einer weitergehenden
Reichsstempelabgabe im Reichstag unerledigt blieb.
Wer Bismarck kennt, weiß, daß er nicht der Mann war, der geneigt war,
dem oppositionellen Reichstag seine Steuerpolitik so leicht zu opfern; mit der
ihm eigenen Zähigkeit blieb er dabei, daß der Tabak noch „mehr bluten müsse“.
Nur bedurfte er für die Vorbereitung einer Gesetzgebung, welche die weitere
Erhöhung der Tabaksteuer auf einem andern als dem in dem abgelehnten
Entwurf betretenen Wege, sei es durch Einführung des Tabakmonopols, sei es
durch Einführung einer Fabrikatsteuer bezweckte, neue und vollständigere statistische
Grundlagen, als sie bis dahin vorhanden waren. Der Antrag auf Veranstaltung
einer Tabakenqucte war ein geschickter Schachzug der kurzsichtigen Reichstags-
mehrheit gegenüber, die Bismarck auf diese Weise zwang, die Mittel zu bewilligen,
um sich selbst ad absurdum zu führen.
In diese Periode fällt endlich der Wendepunkt in der bisherigen
Handelspolitik, an der das Land zu verbluten drohte. Solange Camp-