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Auch der Streit mit der Republik Nicaragua bot anscheinend dazu keine
Veranlassung.
Die Konkordanz von Reichstag und Bundesrat ließ zu wünschen übrig.
Abgesehen von dem bereits oben erwähnten Gesetzentwurf, betreffend die Ge—
werbegerichte, ließ derselbe unerledigt: die aus dem Bundesrat an ihn gelangten
Entwürfe, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und
Gebrauchsgegenständen, für die sich Bismarck lebhaft interessirte, und die Reichs-
stempelsteuer. Vom Reichstag verworfen wurde das erste Sezialistengesetz,
indirekt abgelehnt (durch Verweisung an die Budgetkommission) die Tabak-
steuer.
Der Bundesrat lehnte von den Beschlüssen des Reichstags nur den immer
wiederkehrenden Antrag auf Gewährung von Diäten für die Mitglieder des
Reichstags ab. Der Ansicht des Reichstags, daß die Erhebung einer Ueber-
gangsabgabe von Essig nicht im Verwaltungswege durch einseitigen Beschluß
des Bundesrats, sondern durch Gesetz zu erfolgen habe, fügte sich der Bundesrat.
Das Verhältnis Bismarcks zum Bundesrat ließ nichts zu wünschen übrig;
im großen und ganzen folgte derselbe in allen Stücken seinem Vorsitzenden.
Eine unaufgeklärte Meinungsverschiedenheit bestand anscheinend nur hinsichtlich
des Gesetzentwurfs über die Anzeigepflicht beim Auftreten gemeingefährlicher
Krankheiten, den Bismarck nicht an den Reichstag gelangen ließ. Der Ab-
geordnete Eugen Richter hatte offenbar in diesem Punkte die Zeitungsnachrichten
über die Beschlüsse des Bundesrats nicht verfolgt. Andernfalls hätte er sich es
sicherlich nicht entgehen lassen, den Kanzler darüber im Reichstag zu inter-
pelliren.