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„Mich hat das unglückselige Weib
Vergiftet mit seinen Thränen.-“
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Berlin, den 23. März 1871.
„Gestern um 1 Uhr hatte der ganze Bundesrat Gratulationsaudienz beim
Kaiser, der eine gute, sehr bescheidene Anrede hielt.
„Graf Biemarck ist gestern zum Fürsten erhoben worden.
„Um 5 Uhr war Diner bei Staatsminister Delbrück im Petersburger
Hof. Es waren alle Bundesräte und viele preußische Beamte geladen. Ich
unterhielt mich sehr gut mit meinen Nachbarn, dem württembergischen Minister
Scheuerlen, einer etwas derben Natur, und dem feineren Kirchenpauer aus
Hamburg. Heimgekehrt blieben wir in Uniform, um dann um halb 9 Uhr
zu Hofe zu fahren, wo rout und Konzert war. Die Räume, namentlich
der mittlere, runde Saal, welcher oben in einer säulengetragenen Kuppel endet,
sind prachtvoll und waren mehr als taghell erleuchtet. Die ganze erste Gesellschaft
Berlins, die Bundesräte, vornehmere Abgeordnete waren geladen. Die Damen
strahlten in Diamanten und frischen, glänzenden Toiletten. Nebenbei bemerkt
fiel mir auf, daß wohl zwei Dritteile der hiesigen Damen keine Ohrringe tragen,
zum Teil die Ohren nicht durchbohrt haben. Ich traf und sprach hier u. a.
den Kaiser, die Kaiserin, den Kronprinzen, die Großherzogin, Frl. v. Sternberg,
v. Schönau, den Prinzen Karl von Preußen, Geheimrat Abeken, Legationsrat
Karl Meyer, v. Sternberg, v. Göler, v. Neubronn, General v. Beyer, der seit
einigen Tagen hier ist. Nachdem man genug gesprochen, begann das Konzert,
in welchem im Kuppelsaale, zum Klavier, Niemann, Woworsky, Betz, Salomon,
die Frauen Lucca und Mallinger und Frl. Brandt ausgewählte Stücke vor-
trefflich sangen. Endlich öffnete sich ein großer Saal mit reichlich und elegant
ausgestattetem Buffet, an dem ich mir Fasan und Champagner zu Gemüte
führte.
„Heute ist auch wieder viel Arbeit; Sitzung von 12½ Uhr an, dann um
5 Uhr Diner bei Kaiser und Kaiserin.
„Gestern stellte es sich heraus, daß der Gastgeber Delbrück und die ihm zur
Rechten und Linken sitzenden bayerischen und sächsischen Minister v. Pfretzschner
und v. Friesen Junggesellen sind, was zu vielen Scherzen und Reckereien
Anlaß gab.“
*
Berlin, den 24. März 1871.
„Gestern, den 23. d. M., hatte ich morgens Beratung mit meinen Kollegen
über die Verpflichtung Badens zur Teilnahme an den Bundesschulden, ins-
besondere an der Schuld an Mecklenburg, Anhalt und Lauenburg für Ablösung
der Elbzölle; über den für Beibehaltung einiger Gesandtschaften (bis 1. No-
vember d. J.) zu verlangenden Abzug an den Matrikularbeiträgen u. s. w. Von