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„Die Ausführung dieser Beschlüsse erfolgte noch an demselben Tage. Am
22. Juni wurde mir ein Herr aus Berlin angemeldet, der im Zivilanzuge bei
mir eintrat und sich als Generallieutenant v. Boyen, Generaladjutant des Königs,
vorstellte mit dem Auftrage, an die Regierung die Frage zu richten, ob sie noch
an der alten Bundesverfassung festhalte, eventuell bereit sei, mit dem Könige
von Preußen ein Bündnis einzugehen und demselben ihre Truppen sofort zur
Verfügung zu stellen. Ich erwiderte darauf sofort, die hiesige Regierung sei
der Ansicht gewesen, daß der Bund durch die preußische Erklärung vom 14. Juni
noch nicht aufgelöst gewesen sei und Preußen durch seinen Austritt aus dem
Bunde die anderen Bundesregierungen von ihren Rechten und Pflichten dem
Bunde gegenüber nicht habe entkleiden können. In den letzten Tagen habe sich
aber die Sache dadurch geändert, daß die beiden größten Staaten des Bundes
und auch noch andere gegen einander im Kriege ständen. Nunmehr betrachte
auch die hiesige Regierung den Bund als aufgelöst. Sie habe ihren Gesandten
von Frankfurt bereits abberufen und dem preußischen Gesandten in Weimar
ihre Bereitwilligkeit ausgesprochen, ein Bundesverhältnis mit Preußen abzu-
schließen und dem Könige ihre Truppen zur Verfügung zu stellen. Herr v. Boyen
dankte auf das verbindlichste im Namen des Königs, wir besprachen dann so-
fort das Weitere über die Mobilmachung und den Ausmarsch des Kontingents,
worauf er noch vom Fürsten empfangen wurde und dann sofort wieder abreiste.
Das Kontingent rückte am 29. Juni nach Erfurt aus, wurde dann in Nassau
und vor Mainz verwendet, traf am 13. September wieder in der Heimat ein
und wurde sofort demobilisirt.
„Der formelle Abschluß des Bündnisvertrages erfolgte am 18. August in
Berlin. Die Paciszenten waren Preußen auf der einen und auf der andern Seite
Weimar, Oldenburg, Braunschweig, Altenburg, Coburg-Gotha, Anhalt, Rudol-
stadt, Sondershausen, Waldeck, Reuß jüngerer Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe,
Lübeck, Bremen, Hamburg. Am 21. August traten beide Mecklenburg bei.
Bei diesen Vertragsabschlüssen wurden die thüringischen Staaten durch ihren
Gesandten Grafen Beust in Berlin vertreten. Meiningen und Reuß älterer
Linie standen mit Preußen im Kriege. Durch den Vertrag wurde ein Offensiv-
und Defensivbündnis begründet, zur Erhaltung der Unabhängigkeit und Integrität
sowie der innern und äußern Ruhe der vertragschließenden Staaten. Die
Paciszenten verpflichteten sich, eine Verfassung des neuen Bundes auf Grund
der preußischen Grundzüge zu errichten und ein Parlament auf Grund des
Reichswahlgesetzes vom 20. April 1849 zu berufen.
„Durch die Friedensverträge vom 26. September, 8. und 21. Oktober
traten auch Reuß älterer Linie, Meiningen und Sachsen dem Bünnnisse bei.
Der Bund wurde nunmehr schon Norddeutscher Bund genannt. Am 22. No-
vember erhielten wir die Mitteilung, daß das Parlament auf den 1. Februar 1867
einberufen werden solle, und daß deshalb die Wahlen anzuordnen, auch ein