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6. Bundeskriegswesen.
Nachdem die Verfassung des Norddeutschen Bundes ins Leben getreten,
war auch das norddeutsche Bundesheer als solches für konstituirt zu erachten
und unter den Oberbefehl des Königs von Preußen gekommen. Eine Folge
davon war, daß die Offiziere und Mannschaften sämtlicher norddeutschen Bundes-
kontingente, welche zum Besuche der preußischen Militärunterrichts= und Bildungs-
anstalten respektive zu preußischen Truppenteilen kommandirt wurden, zu den
betreffenden Militärbehörden in dasselbe Verhältnis wie preußische Offiziere
traten und namentlich auch hinsichtlich der Subordination, Ablegung der
Prüfungen u. s. w. den in dem preußischen Heere geltenden Gesetzen und
dienstlichen Vorschriften unterlagen.
Die wichtigste Vorlage Bismarcks auf unserem Gebiete war der Gesetz-
entwurf, betreffend die Verpflichtung zum Kriegsdienst (September
1867). Die beiden Ausschüsse hatten sich zunächst die Frage gestellt, ob die
Vorlage eines solchen Gesetzes durch die Bundesverfassung unbedingt geboten
gewesen sei. Im Hinblick auf Artikel 61 erklärten die Ausschüsse sich dahin,
daß, wie es auch schon in den Motiven zu dem Gesetzentwurfe ausgesprochen
war, eine Verpflichtung dazu nicht vorgelegen habe, da die gleichmäßige Durch-
führung der Bundeskriegsorganisation noch nicht so weit vorgeschritten sei, daß
der Zeitpunkt für die Vorlage eines umfassenden Bundesmilitärgesetzes schon
als eingetreten betrachtet werden könne. Wohl aber wurde anerkannt, daß es
durch die Verhältnisse gerechtfertigt erscheine, wenn das Bundespräsidium schon
jetzt mit einer solchen Vorlage vor den Bundesrat und den Reichstag trete,
weil die Bestimmungen über die Dienstpflicht in den einzelnen Bundesstaaten
sehr verschieden wären und es von wesentlicher Wichtigkeit sei, daß in dieser
Beziehung gleichmäßige Grundsätze im ganzen Norddeutschen Bunde zur Geltung
kämen. Zwar wäre Preußen durch Artikel 61 der Bundesverfassung er-
mächtigt worden, nach Publikation derselben in dem ganzen Bundesgebiete die
gesamte preußische Militärgesetzgebung ungesäumt einzuführen, dadurch würde
aber, wie der Bericht der Ausschüsse bemerkte, dem wirklichen Bedürfnisse nicht
vollständig genügt worden sein, weil diese Bestimmungen der preußischen
Militärgesetzgebung absolut seien und teilweise erst mit der Bundesverfassung
in Einklang gebracht werden müßten. Es sei daher der preußischen Regierung
dafür zu danken, daß sie es vorgezogen, schon jetzt den Weg der Bundesgesetz-
gebung zu betreten, statt von dem ihr nach Artikel 61 der Bundesverfassung
zustehenden Recht Gebrauch zu machen. Aus der Vorlage entwickelte sich das
Gesetz vom 9. November 1867 (B.-G.-Bl. S. 131).
Ein zweiter Punkt, der rasche Erledigung erheischte, betraf die Fest-
stellung eines Fahneneides, der den neuen Einrichtungen entsprach.
Die Notwendigkeit einer derartigen allgemeinen Formel entsprang aus dem-