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Freundschaft“ beide Männer verband. Roon war eben auch kein „leicht zu
nehmender Charakter“. ) Nach der Versicherung von Hermann Wagener —
der unter beiden diente — soll die Freundschaft mehr den Charakter einer
„Pferdefreundschaft“ gehabt haben, welche dadurch bedingt wird, daß beide an
demselben Joche ziehen und in demselben Stalle stehen.
Eine der Differenzen, die zwischen Bismarck und Roon schwebten, betraf
die Stellung des ersteren in seiner Eigenschaft als Bundeskanzler zu dem Militär-
ressort. In diesem Punkte war Roon so entschieden, daß er es äußersten Falles
sogar auf einen Bruch mit Bismarck ankommen lassen wollte. *) Die Frage
wurde am 16. Juni 1868 zu Roons Zufriedenheit geregelt, indem er zum Stell-
vertreter des Kanzlers in allen Heeres= und Marineangelegenheiten ernannt wurde.
Vom April 1872 ab trat Bismarcks Beteiligung an den preußischen
Staatsgeschäften kurze Zeit zurück, seine Gesundheit hielt ihn den größten Teil
dieses Jahres von Berlin fern. Im September 1872 sprach Roon vom
Kanzler als dem „Eremiten von Varzin“, der aber alles selbst machen moöchte.
Vom 1. Januar bis 9. November 1873 trat Bismarck das Präsidium
des Staatsministeriums an Roon ab. In der Zeit, als Roon Ministerpräsident
war, klagte Bismarck dem Abgeordneten Grafen Fred Frankenberg gegenüber,
daß seine Arbeitslast statt vermindert, vermehrt werde. „Noon hat keine
Routine und Auffassung für diese Thätigkeit und einen furchtbaren Ressort-
partikularismus.“
Durch Roons Austritt aus dem Ministerium fühlte sich der Kanzler „ver-
einsamt, unter Ministern (an einer andern Stelle sagt Bismarck „unter Larven!)
die einzig fühlende Brust; der Rest vom Stamm, der bleibt, ist faul.““)
Finanzminister Camphausent)
(geboren 21. Oktober 1812, gestorben 18. Mai 1896).
Mit der Ernennung Camphausens zum preußischen Finanzminister (26. Ok-
tober 1869) verschwand die Anomalie, daß dieser letztere im Bundesrat nicht ver-
treten war. s)) Gewiß hatte Camphausen, welcher mit dem Zaubermittel der
*) Schreiben Bismarcks an den Staatssekretär v. Bülow vom 21. Dezember 1877.
*“) Roon Bd. II. S. 382.
***) Roon Bd. II. S. 606.
#0) Camphausen besuchte das Gymnasium in Köln, studirte in Bonn, Heidelberg,
München und Berlin Jurisprudenz und Kameralwissenschaften. 1837—1842 Assessor bei
der Regierung in Magdeburg, Coblenz und Trier, 1844 Regierungsrat, 1845 vortragender
Rat im Finanzministerium, 1849—1852 Mitglied der 2. Kammer, 1850 des Erfurter
Volkshauses, 1854 Präsident der Seehandlung, 26. Oktober 1869 Finanzminister.
Hepdt war nicht Bevollmächtigter zum Bundesrat infolge seiner eigentümlichen
Beziehungen zu Bismarck und zu Delbrück. Die Berufung Camphausens in den Bundes-
rat sollte hauptsächlich dazu beitragen, in allen Finanzangelegenheiten die Auseinander-
setzungen zwischen Preußen und dem Norddeutschen Bunde zu erleichtern.