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Als das Bundes-Oberhandelsgericht zum Reichsgericht umgewandelt wurde,
fiel es sehr auf, daß Bismarck nicht Pape zum Präsidenten desselben ernannte.
Bismarck soll dem Staatssekretär Friedberg, welcher bei der Besetzung der Stelle
die Feder zu führen hatte, erklärt haben, er müsse sich der Ernennung Papes
zum Reichsgerichtspräsidenten entschieden widersetzen, da derselbe im Kulturkampf
(Pape war Katholik) einen der Regierung feindseligen Standpunkt eingenom-
men habe.
Die Stelle in Leipzig erhielt der Oberlandesgerichtspräsident '#r. Simson").
Daß Fürst Bismarck aber trotz der Uebergehung Papes bei der Leip-
ziger Stelle**) dessen Verdienste um die Reichsjustiz in vollem Umfange zu
würdigen wußte und dessen Arbeitskraft auf gesetzgeberischem Gebiete auch
ferner zu verwerten wünschte, geht aus einem konfidentiellen Schreiben vom
30. Juli 18797"**) hervor, in welchem der damalige Staatssekretär des Reichs-
Justizamts dem Dr. Pape mitteilte, daß der Fürst in einem Immediatbericht
an Seine Majestät den Kaiser vom 21. April 1879 nicht nur eine Allerhöchste
Anerkennung der Verdienste desselben beantragt, sondern auch den dringenden
Wunsch, denselben mit der ferneren Leitung der Gesetzesarbeiten für die Auf-
stellung eines Bürgerlichen Gesetzbuchs betraut bleiben zu sehen. Derselbe hat
dies mit folgenden Worten ausgesprochen:
„Dazu kommt es, daß das Reich von dem Präsidenten Dr. Pape auch
nach dem Ausscheiden aus seinem jetzigen Amt wichtige Dienste auf einem
andern Gebiete erwartet und zu erwarten berechtigt ist. Dr. Pape steht näm-
lich an der Spitze derjenigen Kommission angesehener deutscher Juristen, welche
von den verbündeten deutschen Regierungen im Jahre 1874 eingesetzt worden
ist, um ein Bürgerliches Deutsches Gesetzbuch zu schaffen. Es steht zu hoffen,
daß Dr. Pape, wenn er nach dem Ausscheiden aus seinem jetzigen Amt seine
volle Zeit und Kraft, ungeschmälert durch andere Berufsarbeiten, dieser großen
und für einen deutschen Juristen ehrenvollsten Aufgabe zu widmen im stande
ist, es ihm bei seiner gerade für Gesetzgebungsarbeiten hervorragenden Befähigung
auch gelingen wird, jenes größte Gesetzgebungswerk glücklich zu stande zu
bringen und sich damit ein unvergängliches Verdienst um die Rechtsentwicklung
im Deutschen Reich zu erwerben.“
Noch im Jahre 1888, kurz vor dem Hinscheiden Papes, hat Fürst Bis-
marck demselben sein fortdauerndes Wohlwollen und Vertrauen zu erkennen
*) Von anderer Seite wurde mir bemerkt: Daß Fürst Bismarck es wider Erwarten
für rätlich hielt, anstatt Papes den Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Simson an die
Spitze des neugebildeten Reichsgerichts zu berufen, dürfte wohl nur in politischen
Rücksichten, das heißt in der größeren politischen Berühmtheit Simsons seinen Grund
gehabt haben, da bei den Maßnahmen Bismarcks bekanntlich immer politische Gesichts-
punkte den Ausschlag gaben.
*“) Vgl. hierüber die „National-Zeitung“ Nr. 203 vom 2. Mai 1879.
#) Bisher noch nicht veröffentlicht.