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er 1872 aus Anlaß der goldenen Hochzeit des Königs Johann und der Königin
Amalie nach Dresden kam.
Während seiner letzten Lebensjahre lebte v. Friesen in der Zurückgezogen-
heit, seine Muße mit literarischen Arbeiten und der Niederschrift seiner Memoiren
ausfüllend. Nur einmal trat sein Name wieder in den politischen Vordergrund,
als ihn im Jahre 1878 der konservative und der Reichsverein zu Dresden als
Reichstagskandidaten für Altstadt-Dresden aufstellten.
Wenn in ein paar Jahren der Schluß der Memoiren Friesens veröffent-
licht werden wird, so wird daraus hervorgehen, daß derselbe, in Erinnerung
an die Friedensverhandlungen von 1866, Ende dieses Jahres zwar etwas ver-
ärgert nach Berlin zu den Verhandlungen zur Konstituirung des Norddeutschen
Bundes reiste, daß aber im Laufe der Zeit ein treuer Bundesgenosse Bismarcks
aus ihm geworden ist, dem der Bundeskanzler volles Vertrauen schenkte.)
wie dies auch aus den Enthüllungen hervorgeht, die ihm der Kanzler am
18. Februar 1869 in Betreff der vielbesprochenen Gablenzschen Mission ge-
macht hat.“)
Geheimer Rat und Ministerialdirektor im Ministerium des
Innern Dr. Weinligs')
(geboren 9. April 1812, gestorben 19. Januar 1873).
Es ist in den letzten Jahrzehnten seines Lebens auf dem Gebiete der In-
dustrie keine hervorragende Thatsache zu verzeichnen, an der Weinlig nicht teil-
genommen hätte, fördernd, helfend, beratend, ermutigend. Ihm hauptsächlich dankt
die sächsische Industrie, daß ihr freiere Bahnen eröffnet wurden und dafß sie befreit
wurde von den Fesseln, die eine von dem Zeitbedürfnisse überholte Gesetzgebung
ihr auflegte. Was er in dieser Beziehung auf gesetzgeberischem Gebiete geschaffen
hat, ist später vielfach maßgebend geworden über die Grenzen Sachsens hinaus;
es gilt in der Hauptsache heute als Norm im Deutschen Reiche, wenn schon zum
Teil andere geglaubt haben, die Vorsicht bei Seite setzen zu dürfen, die er mit
praktischem Blick und schonender Hand gewahrt hatte.
*) 3. Dezember 1868 Besuch Bismarcks bei Friesen, 12. Dezember 1868 der Bundes-
kanzler anwesend bei dem Galadiner des Ministers v. Friesen in Dresden.
* ) v. Friesen, Erinnerungen. Bd. II. S. 161.
***) Weinlig studirte Medizin und war mit 21 Jahren praktischer Arzt. In den nächst-
folgenden Jahren hat er hauptsächlich als Schriftsteller gewirkt auf dem Gebiete der Natur-
wissenschaften und der Volkswirtschaft, bis er im Jahre 1845 einem Rufe nach Erlangen
folgte, um dort eine ordentliche Professur der Volkswirtschaft zu übernehmen. Im Jahre
1846 Eintritt in das sächsische Ministerium des Innern als Geh. Regierungsrat. Dieser
Behörde gehörte Weinlig bis zu seinem Ableben an, nachdem er im Jahre 1849 auf
kurze Zeit die Leitung des Ministeriums übernommen hatte, seit dem 19. Mai desselben
Jahres als Vorstand der Abteilung für Ackerbau, Handel und Gewerbe, und später zugleich
als Direktor des statistischen Bureaus.
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. I. 5