— 134—
Bundesrat zu beantragen u. s. w.“ gab dem Reichskanzler Gelegenheit,
diese neuerdings gebräuchliche Form seinerseits als durchaus inkorrekt abzulehnen
und die staatsrechtliche Stellung des Reichskanzlers zum Kaiser, zum Bundes-
rat und zum Reichstag wieder klarzulegen.
Bismarck erklärte: „Es könnte in dem Antrage Barth ebensogut statt
des Reichskanzlers stehen „den Königlich württembergischen Bevollmächtigten
zum Bundesrat zu ersuchen“ oder irgend einen andern. Sie wünschen durch
einen Reichstagsbeschluß einen im Bundesrat zu stellenden Antrag hervor-
zurufen. Meines Erachtens ist der Weg einfacher und kürzer, daß Sie
in Form einer Resolution oder eines Antrages auf gesetzliche Bestimmung
Beschluß fassen. Dieser Beschluß wird unweigerlich dem Bundesrate unter-
breitet und von seiner Seite durch einen Beschluß, der Ihnen späterhin
mitgeteilt werden wird, erledigt werden. Ich möchte nur den Reichskanzler
hier aus dem Gefecht ziehen und verhindern, daß die Figur desselben für
solche Augen, welche die Verfassung nicht genau lesen, größer erscheint, als
sie in der That ist, und ihren Schatten auf die Autorität des Bundesrats
wirft.“
Und am 26. Juni 1884 erklärte Bismarck den Abgeordneten, weshalb
die Verhandlungen des Bundesrats zeitraubender seien als die des Reichs-
tags: „Bekanntlich brauchen die Mitglieder des Bundesrats für ihre Ab-
stimmungen Instruktionen. Die eigene Ueberzeugung eines jeden Mitglieds
des Bundesrats mag bei demselben von vornherein feststehen; er ist aber
nicht berechtigt, danach abzustimmen. Ein Mitglied des Bundesrats muß
erst nach Hause schreiben und fragen, ob seine Regierung ihm dies erlauben
will. Er kann telegraphieren, aber nicht alle Sachen lassen sich telegraphisch
erledigen.“ 1)
Bei der am 9. Juni 1884 erfolgten Feier der Grundsteinlegung des
Reichstagsgebäudes beteiligte sich der Bundesrat in corpore, an seiner Spitze
Bismarck, welcher die Feier mit der Verlesung der nachstehenden, für den
Grundstein bestimmten Urkunde einleitete:
„Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen,
thun kund und fügen zu wissen, daß Wir beschlossen haben, im Namen der
1) Anfangs April verlautete, Bismarck habe sich einem Mitgliede des Bundesrats
gegenüber in mißfälliger Weise darüber geäußert, daß die beiden Hauptkommissionen des
Reichstags — die Sozialistengesetz= und die Unfallversicherungskommission — sich that-
sächlich geweigert hatten, wenigstens während eines Teils der Osterferien an der Fort-
beratung der ihnen überwiesenen Vorlagen zu arbeiten. In der Sozialistengesetzkommission
sei einzig der Wunsch des Zentrums maßgebend gewesen, ihn, den Reichskanzler, dilatorisch
zu behandeln, was er zwar nicht billigen, aber doch verstehen könne. Die Unfallgesetz-
kommission dagegen habe ihrem eigenen einstimmig gefaßten Beschluß zuwider gehandelt,
welcher dahin ging, die Pause in den Plenarsitzungen auszunützen.