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3. Baden.
Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister,
Legationsrat Freiherr v. Marschallt)
(geboren 12. Oktober 1842).
Die Thätigkeit desselben im Bundesrat lag hauptsächlich in seiner her-
vorragenden Teilnahme an der sozialpolitischen Gesetzgebung. Von der Gründung
des Reichs-Versicherungsamts im Jahre 1884 an hat er sich als nichtständiges
Mitglied dieser Behörde an allen aus Anlaß des Unfallversicherungsgesetzes
erforderlichen organisatorischen Arbeiten beteiligt und sich bis zum Jahre 1890
in dieser Stellung befunden. Die in jener Zeit stattgehabten Spruchsitzungen
sind für die Judikatur des Reichs-Versicherungsamts von erheblicher prinzipieller
Bedeutung gewesen. Vom Jahre 1886 an hat er sehr lebhaften Anteil an
der Ausarbeitung des Gesetzes über die Alters= und Invalidenversicherung
genommen, sowohl im Bundesrat wie im Reichstag, und zwar nicht nur
in den Kommissionen und Subkommissionen, sondern auch im Plenum. Für
diese Thätigkeit wurde ihm im Jahre 1887 nach Annahme des Entwurfs
der Rote Adler-Orden erster Klasse verliehen. Von bedeutenderen Referaten, die
er im Bundesrat zu erstatten hatte, ist namentlich der erste, vom Minister
v. Scholz im Jahre 1884 vorgelegte Börsensteuerentwurf, der später wieder
fallen gelassen wurde, hervorzuheben. Als Mitglied des Justizausschusses ist
er bei allen in jene Zeit fallenden, das Rechtsgebiet berührenden Arbeiten be-
teiligt gewesen (Reform des Aktienwesens u. s. w.).
#1) Adolf Hermann Freiherr Marschall v. Bieberstein wurde zu Karlsruhe geboren,
studirte in Heidelberg und Freiburg, wurde 1871 Amtsrichter in Schwetzingen und bald
darauf Staatsanwalt in Mosbach. Nachdem er zum Landgerichtsrat und weiter zum Ersten
Staatsanwalt aufgerückt war, wurde er im Jahre 1875 als Vertreter des badischen grund-
herrlichen Adels in die Erste Kammer entsandt, im Jahre 1878 zum Reichstagsabgeordneten
für den zehnten badischen Landkreis erwählt, den er in den Reihen der konservativen Partei
bis 1881 vertrat. Im Jahre 1883 wurde er badischer Gesandter in Berlin und Bevoll-
mächtigter beim Bundesrat, der ihn 1884 in das Reichs-Versicherungsamt wählte. Er
hatte hier Gelegenheit, bei den Entwürfen für das Alters= und Invaliditätsgesetz in ver-
dienstvollster Weise mitzuwirken. Am 1. April 1890 wurde er unter Ernennung zum
Wirklichen Geheimen Rat als Nachfolger des Grafen Herbert Bismarck mit dem Staats-
sekretariat des Auswärtigen Amts betraut, in welcher Stellung er bekanntlich besonders
um das Zustandekommen der Handelsverträge bemüht war. Im Herbst 1897 erhielt
Marschall bald nach dem Ausgang des Tausch-Prozesses den Botschafterposten in Kon-
stantinopel.