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auf, was der Bundesrat sagen würde, wenn der Reichstag seine Vorlagen ab-
lehnte, ohne dies zu motiviren, erkannte also wenigstens die Berechtigung des
Vergleiches an, der nach Herrn v. Schorlemer-Alst nur eine komische Wirkung
gehabt hatte. Der Vergleich war aber in der That völlig berechtigt; der Ab-
geordnete Reichensperger schien ganz vergessen zu haben, daß die Sitzungen des
Reichstags öffentliche sind, die des Bundesrats verfassungsmäßig nicht, so wenig
wie die Gespräche, welche der dritte Faktor der Gesetzgebung, der Kaiser, mit
sich oder seinem Kanzler führt. „Die Motive des Reichstags,“ so bemerkte zu-
treffend das „Deutsche Tageblatt“, „kann sich jeder nach dem stenographischen
Berichte frei bilden, und wir sind überzeugt, daß die Auffassung der Herren
Minnigerode, Windthorst, Richter eine sehr verschiedene sein würde, die der
Reichstagspräsident schwerlich gegen einander abzuwägen das Recht hätte. Kann
man daher Aehnliches vom Reichskanzler verlangen, selbst wenn eine proto-
kollarische Festsetzung der Bundesratsdebatte existirte?“"
Die „Nordd. Allg. Ztg.“ fand in dem Vorgehen des Abgeordneten Windt-
horst bei seiner Interpellation eine verletzende Nichtachtung des Bundesrats.
Der Reichstag habe erst kürzlich Vorlagen desselben zurückgewiesen, ohne nur
in eine Beratung einzutreten. „Wenn nun einmal das Verhältnis sich umkehrt,
und der Reichstag dem Bundesrat eine Vorlage macht, wie geschehen ist, wie
kommt der Abgeordnete Windthorst zu der unerhörten Behauptung, daß die
einfache Ablehnung der reichstäglichen Vorlage durch den Bundesrat eine Miß-
achtung involvire? Die Wirkung solcher Entstellungen des Sachverhältnisses
durch einen so angesehenen Parteiführer kann doch nur die Verhetzung der
beiden gesetzgebenden Körperschaften des Reichs gegen einander sein. Liegt die
Verhetzung im Interesse der kirchlichen oder etwa der welfischen Politik?“"
Auch in dieser Session fand ein demonstrativer Exodus des Bundesrats
aus dem Reichstagssaale statt bei Gelegenheit der Interpellation des dänischen
Abgeordneten Johannsen, betreffend das Vorgehen der preußischen Regierung in
Nordschleswig gegenüber den dänischen Optanten und anderen dänischen Staats-
angehörigen. Der Bevollmächtigte zum Bundesrat, Staatsminister v. Scholz erklärte
in der Sitzung des Reichstags vom 22. Mai 1883, der Bundesrat lehne die
Beantwortung der Interpellation ab und werde sich auch an einer etwaigen
Besprechung derselben nicht beteiligen. Als demnächst der Interpellant das
Wort nahm, verließen sämtliche Bundesratsmitglieder den Saal.
Eine Beschreibung des Diners, welches der Reichskanzler am 16. No-
vember 1881 den Mitgliedern des Bundesrats gab, findet sich in meinem
Werke: „Fürst Bismarck und die Parlamentarier“ Bd. I. (2. Aufl.) S. 231.