Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

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als ob das Schulaufsichtsgesetz eine völlige Umwälzung in dem rechtlichen 
Verhältnisse der Kirche zur Schule mit sich gebracht habe, auf einer irrtüm— 
lichen, unhistorischen Auffassung von dem Entwicklungsgange unserer Schul- 
gesetzgebung beruht. Das Gesetz vom 11. März 1872, welches in seinem 
§ 1 ausspricht, „daß die Aufsicht über alle öffentlichen und Privatunterrichts- 
und Erziehungsanstalten dem Staate zusteht, und daß demgemäß alle mit dieser 
Aufsicht betrauten Behörden und Beamten im Auftrage des Staates handeln“, 
hat ein neues Recht nicht geschaffen, sondern wesentlich nur einer Satzung 
von neuem Ausdruck gegeben, auf welcher die Entwicklung und nicht minder 
die Erfolge unseres gesamten Unterrichtswesens seit länger als einem Jahr- 
hundert beruhen. Ich brauche nur daran zu erinnern, daß nicht erst das 
Schulaufsichtsgesetz von 1872 die Schulen als eine Veranstaltung des Staates 
bezeichnet hat, sondern bereits das Allgemeine preußische Landrecht, und daß 
das Recht des Staates, das gesamte Schulwesen zu leiten und zu beaussichtigen, 
in diesem grundlegenden Gesetze ebenso wie in zahlreichen älteren und neueren 
Gesetzen, wie in den katholischen Schulreglements für Schlesien von 1765 
und 1801, der preußischen Schulordnung vom 11. Dezember 1845 u. a. m. 
zum prägnanten Ausdruck und zur vollen Anerkennung gelangt ist. 
Ist es nun, wie in der gefälligen Zuschrift selbst bezeugt wird, der 
katholischen Kirche vor Erlaß des Schulaussichtsgesetzes, wo sie doch lediglich 
auch als Beauftragte des Staates gewirkt hat, möglich gewesen, an der 
religiösen Erziehung der Jugend in Segen sich zu beteiligen, so darf die 
Hoffnung nicht aufgegeben werden, daß der Kirche auch fernerhin auf diesem 
Gebiete eine heilsame Mitarbeit vorbehalten sein werde. Jedenfalls möchte ich 
die Herren Unterzeichner der gefälligen Zuschrift vom 13. v. M. bitten, 
sich nicht der unzutreffenden Auffassung hinzugeben, als ob der Staat sich 
antagonistisch oder auch nur gleichgültig in Bezug auf die heilsame Mitwirkung 
der Kirche bei dem Unterrichte und der sittlich-religiösen Erziehung der Jugend 
zu verhalten die Absicht habe. Die Annalen des preußischen Unterrichtswesens 
sind angefüllt von den Beweisen des Gegenteils, und ich bin meinerseits der 
Ueberzeugung, daß mit dem Tage, an welchem wir aufhören würden, für den 
Volksunterricht aus dem unversiegbaren Heilsbrunnen des Evangeliums die 
Grundlage zu schöpfen, der Niedergang unseres gesamten nationalen Kultur- 
lebens besiegelt wäre. 
Aber daran wird doch fengehalten werden müssen, daß die Bestimmung 
über Art, Maß und Umfang der kirchlichen Beteiligung an der Pflege der 
Schule Sache des Staates sein und bleiben muß. Daß die katholische Kirche 
sich bisher nach immer nicht dazu hat entschließen können, sich diesen auch für 
die Regelung der gesamten rechtlichen Beziehungen zwischen Staat und Kirche 
allein maßgebenden Standpunkt anzueignen, betrachte ich als die eigentliche 
Veranlassung des in mehrfacher Hinsicht unerwünschten Zustandes, in welchem
	        
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