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seine Kundgebung vom Juli 1878 in die gleiche Stellung gegen Preußen ein—
getreten. Der Herzog hat seitdem seinen Ansprüchen auf Hannover nicht entsagt,
und die Haltung seiner Anhänger im hannoverschen Lande ist bis in die
Gegenwart von der Art, daß selbst ein persönlicher Verzicht des Herzogs von
Cumberland auf die von ihm erhobenen Ansprüche an Hannover der Königlichen
Regierung keine Bürgschaft für das Aufhören der auf die Losreißung Hannovers
von Preußen gerichteten Bestrebungen der Welfenpartei gewähren würde. Der
bei diesen Bestrebungen gemachte Vorbehalt, daß die Abtrennung des König-
reichs Hannover von Preußen auf gesetzlichem Wege herbeigeführt werden solle,
ist bedeutungslos, da der gesetzliche Weg durch die gegebenen Verhältnisse natur-
gemäß ausgeschlossen und nur der gewaltsame möglich ist. Bei der reichstreuen
Gesinnung der Bevölkerung im Herzogtum Braunschweig dürfte die Welfen-
partei in dieser keinen nennenswerten Anhalt finden; der Herzog von Cumber-
land aber würde sich auch als Herzog von Braunschweig den Einflüssen der
Partei, an deren Spitze Seine Königliche Hoheit bisher steht und deren vor-
nehmste Leiter als seine Mandatare für seine Interessen thätig sind, nicht ent-
ziehen können. Die Thronbesteigung des Herzogs würde deshalb die unver-
meidliche Folge haben, daß sich in Braunschweig unter der staatlichen Autorität
eines der Teilhaber an der souveränen Bundesgewalt ein Stützpunkt für
verfassungswidrige Bestrebungen bilden würde, deren Spitze gegen die vom
Reich garantirte Integrität des preußischen Staates gerichtet wäre.
Die politische Haltung des Herzogs von Cumberland, wie sie in amtlichen
Kundgebungen hervorgetreten, ist jederzeit geeignet gewesen, die welfische Partei
in der Verfolgung ihrer Ziele zu ermutigen. In dem Notifikationsschreiben
vom Juli 1878 hat der Herzog den Protest erneuert, welchen der König
Georg V. unter dem 23. September 1866 gegen Preußen erhoben hat, und
die in diesen beiden Schriftstücken enthaltenen Erklärungen werden in keiner
Weise durch das Notifikationsschreiben des Herzogs vom 18. Oktober 1884
oder sein Besitzergreifungspatent von demselben Datum invalidirt. Auf Grund
der beiden erstgenannten Dokumente befindet sich der Herzog von Cumberland
noch heute im ideellen Kriegszustande gegen Preußen, und bei seinem Regierungs-
antritte müßte, wenn nicht Preußen und Braunschweig dem Deutschen Reich
angehörten, rechtlich der Kriegszustand zwischen beiden Staaten eintreten. Diese
rechtliche Situation gewinnt eine praktische Bedeutung durch die Thatsache, daß
mit dem Herzogtum Braunschweig gerade diejenigen hannoverschen Gebiete
grenzen, in welchen nach Ausweis der Wahlen zum Reichstag die welfische
Partei die Mehrheit der Bevölkerung bildet. Der Herzog von Cumberland
würde in seiner benachbarten Residenz nicht wohl im stande sein, Verbindungen
und Zumutungen abzuwehren, welche den inneren Frieden des Reichs in Frage
stellen. Wenn die Landeshoheit in Braunschweig mit allen ihren Rechten an
der Reichsregierung in die Hände eines Fürsten gelegt würde, der einem Teil