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Den Vorsitz im Bundesrat führte in Vertretung Bismarcks der Staats-
minister v. Boetticher, in seiner Behinderung der stimmführende bayerische
Bevollmächtigte zum Bundesrat.
Die Bildung der Ausschüsse erfolgte in der üblichen Weise, nur wurde
für Braunschweig (an Stelle des verstorbenen Dr. v. Liebe) Baden in den
Justizausschuß gewählt.!)
Am 1. Dezember 1885 betonte Bismarck im Reichstag aufs neue die Gleich-
berechtigung des Bundesrats mit dem Reichstag: „Ich möchte die Herren im
hohen Hause doch einmal darauf aufmerksam machen, wie sich die Dinge ge-
stalten würden, wenn wir im Bundesrat nach denselben Grundsätzen verfahren
wollten und nur denjenigen Beamten, die ihr Amt der Majorität des Bundes-
rats zu Dank versehen, die Gehälter bewilligten. Sie wollen nicht vergessen,
daß, um eine Bewilligung herzustellen, die Zustimmung der Majorität des
Bundesrats gerade so erforderlich ist, wie die Ihrige. Es sind zwei bewilligende
und gesetzgebende Körperschaften da, und der Bundesrat hat ganz dieselben
Rechte.“.
Bei der Sozialistendebatte im Reichstage behauptete der Abgeordnete
Richter am 26. Mai 1886, der Reichskanzler wäre verpflichtet gewesen, an
der Sitzung teilzunehmen. Demgegenüber erklärte die „Norddeutsche Allgemeine
Zeitung“!
„Fürst Bismarck hat es den Vertretern des deutschen Volkes wiederholt
empfohlen, das Verfassungsrecht zu studiren. Die Richtersche Rede liefert
wiederum den Beweis, wie recht er damit hatte. Wenn der Führer der Frei-
sinnigen annimmt, daß der Reichskanzler die Verpflichtung habe, im Reichstag
zu erscheinen, so kennt er eben die Verfassung nicht. Der Reichskanzler ist
nicht nur nicht verpflichtet, er ist nicht einmal berechtigt, im Reichstag zu
erscheinen. Art. 9 der Verfassung bestimmt: „Jedes Mitglied des Bundesrats
hat das Recht im Reichstag zu erscheinen.“ Der Bundesrat besteht aber nur
aus Vertretern der Mitglieder des Bundes, und Fürst Bismarck ist also zum
Erscheinen im Reichstag nur berechtigt in seiner Eigenschaft als ein von dem
Könige von Preußen ernannter Bevollmächtigter zum Bundesrat. Ferner, die
Mitglieder des Bundesrats haben nach Art. 9 Anspruch darauf, jeder Zeit im
Reichstage gehört zu werden; eine Verpflichtung aber, im Reichstage zu sprechen
oder dort auch nur zu erscheinen, ist in der Verfassung nirgends ausgesprochen.
Die Anforderung, die Herr Richter an den Reichskanzler stellt, entbehrt also
jeder gesetzlichen Grundlage: sie ist contra legem. Abgesehen nun aber auch
622, 628, 630, 664, 677, 679, 683, 697, 701 und Jahrg. 1886 Nr. 11, 25, 28, 66,
77, 83, 101, 113, 119, 137, 150, 157, 171, 189, 200, 202, 229, 238, 256, 266, 288,
290, 308, 311, 314, 323, 339, 342, 352, 364, 383, 385, 387, 401, 405, 413, 415, 427.
1) Die vollständige Zusammensetzung der Ausschüsse findet man in der „Nordd. Allg.
Ztg.“ Nr. 484 v. 18. 10. 85.