Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

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Den Vorsitz im Bundesrat führte in Vertretung Bismarcks der Staats- 
minister v. Boetticher, in seiner Behinderung der stimmführende bayerische 
Bevollmächtigte zum Bundesrat. 
Die Bildung der Ausschüsse erfolgte in der üblichen Weise, nur wurde 
für Braunschweig (an Stelle des verstorbenen Dr. v. Liebe) Baden in den 
Justizausschuß gewählt.!) 
Am 1. Dezember 1885 betonte Bismarck im Reichstag aufs neue die Gleich- 
berechtigung des Bundesrats mit dem Reichstag: „Ich möchte die Herren im 
hohen Hause doch einmal darauf aufmerksam machen, wie sich die Dinge ge- 
stalten würden, wenn wir im Bundesrat nach denselben Grundsätzen verfahren 
wollten und nur denjenigen Beamten, die ihr Amt der Majorität des Bundes- 
rats zu Dank versehen, die Gehälter bewilligten. Sie wollen nicht vergessen, 
daß, um eine Bewilligung herzustellen, die Zustimmung der Majorität des 
Bundesrats gerade so erforderlich ist, wie die Ihrige. Es sind zwei bewilligende 
und gesetzgebende Körperschaften da, und der Bundesrat hat ganz dieselben 
Rechte.“. 
Bei der Sozialistendebatte im Reichstage behauptete der Abgeordnete 
Richter am 26. Mai 1886, der Reichskanzler wäre verpflichtet gewesen, an 
der Sitzung teilzunehmen. Demgegenüber erklärte die „Norddeutsche Allgemeine 
Zeitung“! 
„Fürst Bismarck hat es den Vertretern des deutschen Volkes wiederholt 
empfohlen, das Verfassungsrecht zu studiren. Die Richtersche Rede liefert 
wiederum den Beweis, wie recht er damit hatte. Wenn der Führer der Frei- 
sinnigen annimmt, daß der Reichskanzler die Verpflichtung habe, im Reichstag 
zu erscheinen, so kennt er eben die Verfassung nicht. Der Reichskanzler ist 
nicht nur nicht verpflichtet, er ist nicht einmal berechtigt, im Reichstag zu 
erscheinen. Art. 9 der Verfassung bestimmt: „Jedes Mitglied des Bundesrats 
hat das Recht im Reichstag zu erscheinen.“ Der Bundesrat besteht aber nur 
aus Vertretern der Mitglieder des Bundes, und Fürst Bismarck ist also zum 
Erscheinen im Reichstag nur berechtigt in seiner Eigenschaft als ein von dem 
Könige von Preußen ernannter Bevollmächtigter zum Bundesrat. Ferner, die 
Mitglieder des Bundesrats haben nach Art. 9 Anspruch darauf, jeder Zeit im 
Reichstage gehört zu werden; eine Verpflichtung aber, im Reichstage zu sprechen 
oder dort auch nur zu erscheinen, ist in der Verfassung nirgends ausgesprochen. 
Die Anforderung, die Herr Richter an den Reichskanzler stellt, entbehrt also 
jeder gesetzlichen Grundlage: sie ist contra legem. Abgesehen nun aber auch 
622, 628, 630, 664, 677, 679, 683, 697, 701 und Jahrg. 1886 Nr. 11, 25, 28, 66, 
77, 83, 101, 113, 119, 137, 150, 157, 171, 189, 200, 202, 229, 238, 256, 266, 288, 
290, 308, 311, 314, 323, 339, 342, 352, 364, 383, 385, 387, 401, 405, 413, 415, 427. 
1) Die vollständige Zusammensetzung der Ausschüsse findet man in der „Nordd. Allg. 
Ztg.“ Nr. 484 v. 18. 10. 85.
	        
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