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sofern innerhalb der im Abs. 1 bestimmten Frist (6 Monate) eine richterliche
Handlung zum Zweck der Verfolgung des Verbrechens oder Vergehens vor—
genommen wird. Sofern nach den allgemeinen Vorschriften des Strafgesetz-
buchs die Verjährung früher eintreten würde, kommen diese zur Anwendung.“!)
Der Gesetzentwurf wurde in der Sitzung des Bundesrats vom 11. März 1886
angenommen, blieb aber im Reichstag (Session 1885/86) unerledigt.
Ausweisung russischer und österreichischer Unterthanen.
In der am 23. Januar 1886 abgehaltenen Plenarsitzung des Bundesrats legte
der Vorsitzende, Staatsminister v. Boetticher ein Schreiben des Präsidenten des
Reichstags vor, nach welchem der letztere in der Sitzung vom 16. Januar bei
Beratung der von den Abgeordneten Liebknecht und Genossen, Dr. v. Jazdzewski
und Genossen sowie Ausfeld und Genossen eingebrachten Anträge, betreffend
die von der preußischen Regierung veranlaßten Ausweisungen fremder Staats-
angehöriger, beschlossen hatte: „Die Ueberzeugung auszusprechen, daß die von
der Königlich preußischen Regierung verfügten Ausweisungen russischer und
österreichischer Unterthanen nach ihrem Umfange und nach ihrer Art nicht gerecht-
fertigt erscheinen und mit dem Interesse der Reichsangehörigen nicht vereinbar
sind.“ Der Vorsitzende knüpfte an diese Mitteilung folgende Erklärung: „Die
Königlich preußische Regierung hält die in der Resolution vom 16. d. M. aus-
gesprochene Ansicht der Mehrheit des Reichstags für eine irrtümliche und hält
an ihrer Ueberzeugung fest, daß die fraglichen Ausweisungen, welche sie inner-
halb ihrer verfassungsmäßigen Rechte angeordnet hat, im Interesse Preußens
und der deutschen Nationalität zweckmäßig und notwendig waren.“ Es wurde
einstimmig beschlossen: „Der Bundesrat lehnt es ab, die vom Reichstag am
16. Januar 1886 beschlossene Resolution in Beratung zu ziehen, da die Kom-
petenz der preußischen Regierung zu den in der Resolution erwähnten Aus-
weisungsmaßregeln eine zweisellose und ausschließliche ist.“
Windthorstscher Antrag wegen des Expatriirungsgesetzes.
In der Sitzung des Bundesrats vom 5. November 1885 wurde zu dem von
dem Reichstag angenommenen Gesetzentwurf wegen Aufhebung des Gesetzes
über die Verhinderung der unbefugken Ausübung von Kirchenämtern be-
schlossen, daß, da der Bundesrat erst am 17. November 1884 dem Beschlusse
des Reichstags die Zustimmung versugt habe, kein Anlaß vorliege, von diesem
Beschlusse abzugehen. )
1) In Kohls Bismarck-Regesten übersehen. Vgl. zu der Bundesratsvorlage die
„Nordd. Allg. Zt#g.“ Nr. 519 v. 6. 11. 85 u. Nr. 523 v. 8. 11. 85 sowie die „Nat.-Ztg.“
Nr. 610 v. 7. 11. 85 u. Nr. 168 v. 12. 3. 86.
2) Ich erwähne noch folgende in Kohls Bismarck-Regesten übersehenen Vorlagen
des Reichskanzlers, betreffend: 1. den Antrag Preußens auf Erlaß gleichmäßiger