Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

— 248 — 
die Rechte, wurde 1860 Gerichtsassessor und nach kurzer gerichtlicher Thätigkeit 
bei der Berliner Staatsanwaltschaft beschäftigt, bis seine Einberufung ins Mini- 
sterium der auswärtigen Angelegenheiten erfolgte. 
Hier hat er zunächst als Assessor, später als Hilfsarbeiter (1869) und als 
vortragender Rat (1872) die verschiedensten Materien bearbeitet, was ihm für 
die Vielseitigkeit der Ansprüche, welche das schließliche Amt als Direktor der 
handelspolitischen Abteilung an ihn stellte, zu statten gekommen ist. 
Schon in die Jahre seiner Hilfsarbeiterschaft fallen eingehendere Studien, 
denen er sich bezüglich zweier Spezialmaterien mit besonderem Interesse hingab, 
und denen er es zu danken hatte, daß er später auf diesen Gebieten mit Erfolg 
wirksam sein konnte, nämlich betreffs des internationalen Urheberrechtsschutzes 
und des Auswanderungswesens. 
In ersterer Beziehung hat er als erster deutscher Bevollmächtigter namentlich 
die neuesten Literarkonventionen mit Frankreich, Belgien, Italien, Oesterreich- 
Ungarn (sowie auch den von dem andern vertragschließenden Teile leider nicht 
ratifizirten Vertrag mit den Niederlanden) vorbereitet, unterhandelt und ab- 
geschlossen, ganz besonders aber Gelegenheit gefunden, sich für das Zustande- 
kommen des sogenannten Welt-Literarvertrags und der Zusatzverträge dazu auf 
den internationalen Konferenzen in Bern (1884 und 1885 und Paris (1896) 
nützlich zu machen. 
Schwieriger wurde es ihm, auf dem Gebiete des Auswanderungswesens 
das seit langen Jahren mit vieler Mühe und fortgesetzter Arbeit erstrebte Ziel 
— eine rationelle und nationale Regelung der Materie — zu erreichen. Mannig- 
fache Vorurteile und Gegenströmungen mußten bekämpft, jahrelange Vorstadien 
mußten durchgemacht werden, bevor es gelang, mit dem Gesetzentwurf hervor- 
zutreten, welcher schließlich in dem Gesetz über das Auswanderungswesen vom 
9. Juni 1897 zur Geltung gelangt ist. Reichardt in seiner Eigenschaft als 
Vorsitzender der mit der Ausarbeitung dieses Gesetzes betrauten Kommission 
und seine der letzteren angehörigen Mitarbeiter aus den beteiligten Reichs= und 
preußischen Ressorts hatten, wie die im wesentlichen aus seiner Feder geflossenen 
Motive und seine Erklärungen bei Vertretung der Vorlage im Reichstage des 
näheren ergeben, ihr Bemühen dahin gerichtet, in dem Gesetze eine Handhabe 
zu schaffen, welche entsprechend dem seit länger als einem halben Jahrhundert 
hervorgetretenen Verlangen der öffentlichen Meinung eine rationelle Lenkung der 
deutschen Auswanderung ermöglicht. 
Nach Reichardts Ernennung zum vortragenden Rat wurde ihm unter 
anderen Materien auch die Bearbeitung des internationalen und interterritorialen 
Eisenbahnwesens übertragen. Demzufolge hat er bei den zahlreichen während 
der siebziger und zu Anfang der achtziger Jahre deutscherseits mit dem Aus- 
lande abgeschlossenen Eisenbahnverträge namentlich auch als Unterhändler mit- 
gewirkt, und ferner mannigfache, durch die damalige Verstaatlichung der Eisen-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.