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Justizwesen. Gerichtskostengesetz und Gebührenordnung.
Der vom Reichskanzler etwa Anfangs Oktober 1886 1) dem Bundesrat vorgelegte
Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung von Bestimmungen des Ge-
richtskostengesetzes und der Gebührenordnung für Rechtsanwälte, wurde von
demselben nach der von dem Justizausschusse beantragten Fassung 2) angenommen.
Bei der Abstimmung im Bundesrate hielt die württembergische Regierung auf
Grund ihrer früheren Erklärungen im Bundesrate an der Auffassung fest,
daß auch nach den durch das Gesetz vom 29. Juni 1881 herbeigeführten
Ermäßigungen nach den in Württemberg bestehenden Verhältnissen eine weiter-
gehende Herabminderung der Gerichtskosten ein ernstliches Bedürfnis sei, dessen
Befriedigung ins Auge gefaßt werden sollte, sobald es die Finanzlage
gestatte.
Entschädigung für unschuldig Verurteilte. In der Sitzung
vom 17. März 1887 lehnte der Bundesrat den vom Reichstage beantragten
Gesetzentwurf über Entschädigung für unschuldig erlittene Strafen ab. Der
dabei gefaßte Beschluß ging dahin, „das Vertrauen auszusprechen, daß in den
Bundesstaaten überall in ausreichender Weise für die Beschaffung der Geld-
mittel Sorge getragen werde, welche erforderlich sind, um den bei der Hand-
habung der Strafrechtspflege nachweisbar unschuldig Verurteilten eine billige
Entschädigung zu gewähren“. 3)
Kunstbuttergesetz. In dem dem Reichstag vorgelegten Gesetzentwurfe
sprach sich die Reichsregierung über die Gründe und Zwecke der Vorlage in
den umfänglichen beigegebenen technischen Erläuterungen wie folgt aus:
1. Die aus dem Fett gesunder Tiere dargestellte Kunstbutter giebt, abge-
sehen von einer vielleicht etwas geringeren Verdaulichkeit im Vergleich zur
Milchbutter, im allgemeinen keine Veranlassung zu der Annahme, daß sie auf
die menschliche Gesundheit nachteilig einwirken könne. 2. Es besteht der Ver-
dacht, daß ein Teil der im Handel vorkommenden Kunstbutter aus solchen
Materialien und nach solchen Fabrikationsweisen dargestellt wird, welche die
1) In Kohls Bismarck-Regesten übersehen. Vgl. die „Nat.-Ztg.“ Nr. 621
v. 6. 11. 87.
2) ct. die „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 123 v. 15. 3. 87 und Nr. 136 v. 23. 3. 87.
3) Noch sind zu erwähnen die in Kohls Bismarck-Regesten übersehenen Vorlagen
des Reichskanzlers an den Bundesrat über 1. die Wiedervorlegung des Entwurfs eines
Gesetzes, betreffend die unter Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfindenden Gerichtsverhand-
lungen, Schreiben vom Dez. 1886, 2. den Gesetzentwurf, betr. die Rechtsverhältnisse der
deutschen Schutzgebiete, Schreiben vom Mai 1887 und 3. den Entwurf zur Abänderung
der vom Bundesrat am 21. Juni 1879 beschlossenen Dienstanweisung, betr. die Einziehung
und Verrechnung der für die Geschäfte des Reichsgerichts in Ansatz kommenden Kosten,
Schreiben vom Juni 1887, „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 291 v. 26. 6. 87.