Im Reichstage (1870 bis 1874) 97
Kommission fragen wird, was sie zustande gebracht habe, worauf dann
wahrscheinlich das Herrenhaus der Kommission die Sache abnehmen und
im Plenum beraten wird.
Berlin, 21. April 1873.
Heute Wiederbeginn der Reichstagssitzungen. Wir, das heißt die
Präsidenten, waren zu dem Galadiner zu Ehren der Vermählung des
Prinzen Albrecht eingeladen. Da nun das Diner um 3 Uhr, der Reichs-
tag aber erst um 1 Uhr beginnen sollte, so war es nicht möglich, beides
zu vereinigen. Ich schlug deshalb Simson und Bennigsen vor, zum Diner
zu gehen und mir den Vorsitz zu überlassen. Nun wurde aber die Sitzung
schon um 2 Uhr geschlossen, und so konnte ich ungehindert zu dem Diner
mitgehen. Alles was an gros bonnets in Berlin war, konnte man da
sehen. Ich saß zwischen zwei Hofdamen. Von Konversation war aber
keine Rede, denn die Militärmusik oben auf der Galerie machte einen
Heidenlärm. Sie begann mit der Ouvertüre zu „Fidelio“ und ich meinte
einen Parademarsch zu hören. Nach Tisch kam Bismarck zu mir und
sagte: „Sie waren der Gefahr ausgesetzt, vom Reich in Anspruch ge-
nommen zu werden, und zwar für den Posten in London.“ Ich sagte:
„Das wundert mich, denn ich hatte bisher gemeint, der Kronprinz habe
für meinen Vetter Langenburg gesprochen.“ Bismarck darauf: „Nein, es
war von Ihnen die Rede. Ich habe Sie mit den andern Kandidaten
dem Kaiser in Vorschlag gebracht, und der Kaiser sagte von Ihnen: „Der
wäre mir gewiß am angenehmsten, wenn er es annimmt.“ Allein ich
konnte dem Kaiser nicht verhehlen, daß Ihre Ernennung auch Nachteile
haben würde. Sie sind der einzige Grandseigneur in Bayern, der reichs-
treu ist und der zugleich das Vertrauen des Königs von Bayern hat.
Sie können also in Deutschland mehr wirken als in England. Diese
Erwägung hat auch dazu geführt, davon abzusehen.“ Ich sagte darauf,
„Ich sei für die gute Meinung sehr dankbar, hätte aber London nicht an-
nehmen können. Käme einmal der Fall vor, daß ich dem Kaiser an irgend-
einer Stelle nützlich sein könne, so bäte ich das in der Weise zu machen,
daß der Kaiser an den König von Bayern schriebe und ihn bitte, mich
ihm für ein paar Jahre zu borgen. „Ja,“ sagte Bismarck, „das ist der
richtige Weg.“ Dann sprachen wir von Bismarcks Reise nach München.
Er sagte, er habe die Absicht, dem Könige aufzuwarten. Ich erzählte ihm,
was ich dem König darüber gesagt habe, daß nämlich Bismarck in seiner
Eigenschaft als Reichskanzler sich als den Diener des Königs von Bayern
ansehe und sich verpflichtet halte, dem Könige seine Huldigung darzubringen.
Das sei ganz richtig, meinte Bismarck, er werde es auch tun, wenn er
nach Bayern komme. Er brauche dazu keinen preußischen Gesandten. Er
könne zu jeder Stunde hingehen und fragen, ob der König ihn sehen
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. I