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Seine Amtszeit war vorzugsweise durch die Vorbereitung der großen
Militärgesetze und ihre Durchführung in Anspruch genommen. Eine große Reihe
organisatorischer Verbesserungen in der Armee ist unter seiner Leitung erfolgt,
namentlich auch die Einführung des Magazingewehrs. Er stand an der Spitze
der Militärverwaltung, als der Reichstag wegen des Widerstandes gegen das
Septennat aufgelöst wurde. Den entscheidenden Anteil an dieser Maßregel
hatte indessen nicht der Kriegsminister, sondern Bismarck. Ersterer dagegen
konnte sich den Erfolg anrechnen, den er mit dem Militärpensionsgesetz erzielte.
Bronsart war ein Mann, der mit strenger Gewissenhaftigkeit seine Pflicht er-
füllte, auf welchen Platz ihn auch der oberste Kriegsherr stellte; er war ein
entschlossener, thatkräftiger, aber zugleich gedankenreicher und hoch gebildeter
Soldat. 1)
Bronsart war auch bei der Kapitulation von Sedan thätig. Er schreibt
darüber in seinem Tagebuch: 2)
1. September 1870. Um 5 ½ Uhr verließen wir Vendresse und diri-
girten uns über Chehéry auf Sedan. Eine halbe Meile vor der Stadt stiegen
wir zu Pferde und ritten auf die Höhe östlich der Straße, welche auf der
französischen Generalstabskarte mit der Zahl 307 bezeichnet ist. Zu unseren
Füßen lag die Festung Sedan, um welche herum von Floing über das Bois
de la Garenne uud Fond de Givonne bis Balan starke feindliche Truppenmassen
standen. Vor uns stand zwischen Frénois und Wadelincourt die Corpsartillerie
1) Hauptmann Fritz Hoenig gibt in seinem Werke: „Der Volkskrieg an der Loire"
folgende Charakteristik desselben: „Nur wenige Menschen mag es geben, die sich der fort-
schreitenden Entwicklung so anzupassen gewußt haben wie er, und für die Fragen des öffent-
lichen Lebens ein so großes Verständnis gezeigt haben. Er war außerordentlich beweglich,
temperamentvoll, ideenreich und geistig hoch beanlagt, energisch und selbständig. Aufrichtig
und mitteilsam, war er ein vortrefflicher Kamerad und ein wohlwollender Vorgesetzter.
Wer sein Vertrauen gewonnen hatte, dem schenkte er es rückhaltslos. Er zeigte eine sehr
große Belesenheit, sprach fließend, traf dabei den Kern der Sache und bildete sich schnell
über Menschen und Dinge ein Urteil. Der Grundton seines Wesens waren ein warmes,
empfängliches Gemüt und ein stark ausgeprägter Gerechtigkeitssinn. v. Bronsart hatte
stahlharte Nerven. Er war schnell von Entschluß und arbeitete gründlich. Er war ein
ausgeprägter, mutiger Charakter, an einem einmal gefaßten Entschluß hielt er zähe fest.
Jeder Ziererei, Pedanterie, bureaukratischen Förmlichkeit und Einseitigkeit war er abhold.
Er war von den Pflichten seines Standes durch und durch erfüllt. Seine Ernennung zum
Kriegsminister erzeugte in der Armee allgemeine Freude. v. Bronsart war mit Leib und
Seele Soldat, einer der besten Kenner der Armee. Besonders hoch stellte er die idealen
Seiten des Lebens. Trotz oder vielmehr wegen seines tiefen Gemütslebens war v. Bron-
sart das, was man einen objektiv denkenden Menschen nennt. „Wie merkwürdig ist es doch,
daß wenn die Leute verschiedener Meinung sind, sie sich auch gleich böse sind!““ v. Bron-
sart sprach das aber nicht bloß aus, er lebte auch danach, trotz einer gewissen Reizbarkeit,
die bei bestimmten Dingen hervortreten konnte. Aber er kannte keine Nachsucht und konnte
vergeben und vergessen.“ «
2) Nach den Mitteilungen des Militär-Wochenblatts.