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Gesetzen des Deutschen Reichs als Verbrechen oder Vergehen im Amt anzusehen
ist; 2. ein Deutscher, welcher im Auslande eine landesverräterische Handlung
gegen das Deutsche Reich oder einen Bundesstaat oder eine Beleidigung gegen
einen Bundesfürsten begangen hat; 3. ein Deutscher, welcher im Auslande
eine Handlung begangen hat, die nach den Gesetzen des Deutschen Reichs als
Verbrechen oder Vergehen anzusehen und durch die Gesetze des Ortes, an
welchem sie begangen wurde, mit Strafe bedroht ist. Die Verfolgung ist auch
zulässig, wenn der Thäter bei Begehung der Handlung noch nicht Deutscher
war. In diesem Falle bedarf es jedoch eines Antrages der zuständigen Be-
hörde des Landes, in welchem die strafbare Handlung begangen worden, und
das ausländische Strafgesetz ist anzuwenden, soweit dies milder ist.
Nach der „Ostpreußischen Zeitung“ hatte der erwähnte Gesetzentwurf eine
weittragende prinzipielle Bedeutung. „Nach den bisherigen strafgesetzlichen Be-
stimmungen tritt in Deutschland wegen der im Auslande begangenen Verbrechen
und Vergehen für Ausländer, welche nach der Strafthat ins Reichsgebiet flüchten
— Hochverrat ausgenommen — keine Strafverfolgung ein. Der gleiche straf-
rechtliche Grundsatz gilt in den meisten andern Staaten vice versq. Hieraus
ergeben sich für die Strafrechtspflege sehr unangenehme praktische Konsequenzen,
welche besonders in zwei zwischen Deutschland und Frankreich sich abspielenden
Kriminalfällen vor kurzer Zeit zu Tage traten. Ein deutscher Postbeamter
war nach Verübung von Unterschlagung amtlicher Gelder nach Frankreich ent-
flohen, und das Verlangen unseres Auswärtigen Amtes, den Verbrecher zu
verfolgen und auszuliefern, wurde seitens der französischen Behörde unter
Hinweis darauf, daß es sich für sie um ein im Auslande begangenes Ver-
brechen handle, abgelehnt. In einem andern reciproken Falle wurde von
französischer Seite die Aushändigung einer Summe von circa 70 000 Franken,
die ein aus Paris entflohener Banquier unterschlagen und nach Berlin mitgebracht
hatte, wo sie der Polizei in die Hände fielen, gefordert, aber von der Staats-
anwaltschaft abgelehnt, ebenfalls unter Berufung auf die strafgesetzliche Be-
stimmung, wonach es sich hier um ein im Auslande begangenes Verbrechen
handle. Die fragliche Summe wurde auf dem Auswärtigen Amte deponirt,
wo sie sich heute noch befindet. Unser Auswärtiges Amt vermag dem Stand-
punkt der Staatsanwaltschaft nicht entgegenzutreten; es kann sich indessen der
Erwägung nicht verschließen, daß derartige exklusive strafrechtliche Bestimmungen
der Anbahnung einer internationalen Strafrechtspflege, welche nicht nur das
Ideal der Kriminalrichter ist, sondern auch ein sehr praktisches Mittel zur Her-
stellung freundschaftlicher politischer Beziehungen unter den Staaten bietet, sehr
im Wege stehen. Ein Vorgehen Deutschlands durch eine entsprechende Revision
der bezüglichen Bestimmungen seines Strafgesetzbuches wird voraussichtlich nicht
ohne Rückwirkung auf andre Staaten bleiben, wie ja wiederholt unser Straf-
kodex andern Ländern zum Muster diente."“