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Kultusminister Dr. Falkh
Cef. Bd. II. S. 117f).
Veranlaßt durch die Verwunderung Bismarcks, daß Falk nicht Veranlassung
genommen, die über seinen Rücktritt verbreiteten Nachrichten richtig zu stellen,
sah sich der frühere Kultusminister veranlaßt, in der „Deutschen Revue“,
Januarheft 1899, die auf seine Entlassung bezüglichen Vorgänge zu ver-
öffentlichen.
Das erste Aktenstück enthält das an den Kaiser gerichtete Falksche Abschieds-
gesuch, d. d. 29. Juni 1879, darauf folgt ein Bismarck von diesem Schritt
verständigendes Schreiben Falks von demselben Tage. Unterm 2. Juli 1879
findet sich demnächst in den tagebuchartigen Eintragungen Falks folgendes
vermerkt:
„Vorgestern gegen Mittag sandte Bismarck seinen Sohn Herbert zu mir,
um mich zu einer Unterredung einzuladen. Dieselbe fand um 1½ Uhr statt
und dauerte beinahe 1½2 Stunden; zuletzt wurde sie in Gegenwart Eulenburgs
1) cf. Bismarcks „Gedanken und Erinnerungen“ Bd. I. S. 126, Bd. II. S. 130,
131, 132, 133, 134, 140, 161. 204. Ueber die Ersetzung Mühlers durch Falk berichtet
Prof. Dr. Aegidi: „Mühlers Sturz, den mir Bismarck vorhergesagt, rückte heran. Und
sein Nachfolger? Eines Tages nannte mir Bismarck, da er mich doch alles wissen ließ und
von den staatskirchlichen Dingen das Geheimste hat wissen lassen, den Namen Falk. Ihm
stünden, äußerte der Fürst, antiliberale Velleitäten Sr. Majestät entgegen. In demselben
Sinne hatte er später, als Gneist mich darauf aufmerksam gemacht, daß die National-
liberalen trotz ihrer Unterstützung der Regierung nicht in Aemter gelangen (mit einziger
Ausnahme von Meyer-Thorn), auf den Nachfolger Wilhelms I. hingewiesen. Da entdeckte
ich in meinen Zeitungsauszügen einen Artikel, worin Falk wegen einer Rede heftig an-
gegriffen war, welche die Reorganisation der Armee rechtfertigte. Ich legte den Artikel
dem Fürsten vor; er lachte vergnügt, ließ mich den Artikel aufziehen und vorlegen und
rief mir zu: „Wohlauf zur Falkenbeize!“ Ueber die Urbeberschaft der kirchenpolitischen
Gesetze vgl. auch das „Bismarck-Jahrbuch“ Bd. IV. S. 319. Ueber das erste Entlassungs-
gesuch Falks, das Mitte Mai 1878 erfolgte, ist noch einiges nachzutragen. Die „Magdeb.
Ztg.“ erfuhr, daß der Reichskanzler Fürst Bismarck in einem eigenhändigen Schreiben
dem Staatsminister Dr. Falk seine Ueberraschung und sein tiefes Bedauern über das Ent-
lassungsgesuch, zugleich aber seine volle prinzipielle Uebereinstimmung mit dessen Leitung
der Kultus= und Unterrichtsangelegenheiten aussprach.
In Reichstagskreisen wurde in Anknüpfung an das Entlassungsgesuch des Dr. Falk
folgende Anekdote erzählt: Der Kultusminister kam vor Wochen zum Fürsten Bismarck
mit der Anzeige, von maßgebender Seite würde gewünscht, daß an Herrmanns Stelle zum
Präsidenten des Oberlirchenrats ein konservativer Mann ausfindig gemacht werden moöchte.
Der Kanzler sagte darauf zum Kultusminister: „Ich will Ihnen eins sagen, lieber Falk
— Leo XIII. wurde Papst, ohne daß ich's hindern konnte; lassen Sie Präsident des
Oberkirchenrats werden, wer's werden will, sorgen Sie sich nicht darum.“ Man erinnerte
an diesen Rat Bismarcks, um für die Meinung einen Anhalt zu haben, daß der Kanzler
den sorgenvollen Bedenken Dr. Falks ein ernstliches Interesse nicht mehr zuwende.