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lothringischen Fragen den Maßstab des Reichsinteresses anzuwenden, hielt sich
der Staatssekretär streng an die Verfassung und an das Gesetz, gab dem Persön—
lichen und Individuellen keinen Raum und sah in den Notabeln und Klerikalen
nicht Bundesgenossen, sondern Gegner. In der klaren Erkenntnis der Ver—
derblichkeit des Manteuffelschen Systems verließ er einen Schauplatz, für welchen
gerade seine Einsicht und sein Verfahren von größtem Nutzen gewesen wäre.
In der deutschen Presse erhoben sich infolge dieses Konflikts heftige Angriffe
gegen den Statthalter, wobei besonders die Konzessionirung der beiden Oppo—
sitionsblätter, die klerikale „Union von Elsaß-Lothringen“ und die protestlerische
„Presse von Elsaß-Lothringen“ besprochen wurde, und es wurde geradezu gesagt,
daß durch die verfehlte Verwaltungspolitik des Statthalters in einem einzigen
Jahre für das Deutschtum alles verdorben worden sei, was in acht Jahren
mühsam zu stande gebracht worden war.“
Die „Nat.«Ztg.“ Nr. 318 v. 10. 7. 80 bemerkte zu der Krisis: „Herzog
hat seine Aufgabe als verantwortlicher Staatssekretär ernst genommen und die
Grundsätze festgehalten, die er seit seinem Eintritt in die Verwaltung des Reichs-
landes befolgt hatte. Der Generalfeldmarschall v. Manteuffel hat für seine
vielfach abweichenden Ansichten die Ausführung verlangt. Es mangelt nicht
an Anzeichen, daß Herr v. Manteuffel den Abgang des Herrn Herzog zur
Bedingung seines eigenen Bleibens gemacht hat. Die schneidige Schärfe, mit
welcher er als Chef des Militärkabinetts die Personenfragen in der Armee be-
handelte, hat ihn bei aller persönlichen Liebenswürdigkeit, die er entfaltete, auch
auf seinen neuen Posten begleitet. Schon eine Reihe reichsländischer Beamten
haben in dieser Beziehung Erfahrungen gemacht; daß Herr v. Manteuffel vor
seinem Staatssekretär nicht still stehen würde, mußte man erwarten. Herr
Staatssekretär Herzog war das letzte Bindeglied, welches die frühere Verwaltung
Elsaß-Lothringens mit der heutigen verband. Wir sind nicht ganz ohne Be-
sorgnisse über die schließlichen Konsequenzen der jetzigen Verwaltung, und das
Ausscheiden des Herrn Dr. Herzog hat für uns gerade nichts Beruhigendes.“!)
Die „Vossische Zeitung“ Nr. 193 v. 13. 7. 80 bemerkte: „Der oberste
Regent kann die Geschäftlslast natürlich nicht tragen, weil sie einfach über die
1) Und in einem späteren Artikel (Nr. 377 v. 14. 8. 80) bemerkte die „Nat.-Ztg.“:
„Völlig unbegründet ist die Angabe, es hätten zwischen dem früheren Staatssekretär Herzog
und dem Statthalter Frhr. v. Manteuffel persönliche Konflikte stattgefunden, bei denen der
Reichskanzler sich auf die Seite Herzogs gestellt und um derentwillen sogar die Rückberufung
seines Sohnes, des Grafen Wilhelm, aus Straßburg veranlaßt hätte. Persönlich bestand
das beste Einvernehmen zwischen dem Statthalter und dem Staatssekretär. Die Meinungs-
verschiedenheiten bezogen sich lediglich auf die Auffassung der Amtskompetenz und diese
machten dem Staatssekretär Herzog schon bald nach dem Antritt des Amtes den Rücktritt
von demselben wünschenswert. Graf Wilhelm Bismarck aber ist wegen seines leidenden
Gesundheitszustandes von seiner Beschäftigung in Straßburg, welche von vornherein einen
provisorischen Charakter haben sollte, abberufen worden.“