Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

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Kraft eines Mannes, selbst mehrerer Männer hinausgewachsen ist. Man braucht 
also Vertreter. Weil man aber immer in der Lage sein will, unmittelbar ein— 
zugreifen, so dürfen diese Stellvertreter niemals bestimmte Befugnisse haben, 
sondern müssen sich gefallen lassen, bald bestimmte Befehle auszuführen, bald 
sich tadeln oder desavouiren zu lassen, wie es im Augenblicke passend erscheint. 
Um den mit landesherrlichen Befugnissen ausgestatteten Statthalter in diese 
Stellung trotz scheinbarer Unabhängigkeit zu zwingen, setzte man ihm einen 
Staatssekretär an die Seite, ohne dessen Genehmigung er eigentlich nichts sollte 
vornehmen dürfen. Man hat nicht bedacht, daß ein schlauer, diplomatisch voll- 
kommen geschulter Feldmarschall, der noch einigen, vielleicht mehr als nötig ist, 
Thatendrang in sich spürt, der auf seine Popularität ganz außerordentlich vieles 
hält und der zur offiziellen Politik vielleicht in größerem Gegensatze steht, als 
man glaubt und weiß, den ihm angelegten Zügel wie ein Spinngewebe zer- 
reißen werde.“ 
Bei dem Festmahl, welches zu Ehren Herzogs anläßlich seines vollendeten 
70. Lebensjahres kürzlich in Berlin stattfand, wurde dem Jubilar neben einer 
Adresse sein Bronzebildnis überreicht mit der Inschrift: „Carolus Herzog, 
Rerum civilium moderator, acutus scriptor et orator, sincerus patriae 
amator, ardens coloniarum fautor, sedulus humanitatis adjutor, fidissi- 
mus amicitiae cultor.“ (Ein besonnener Staatsmann, scharfsinnig in Wort 
und Schrift, dem Vaterland treu ergeben, ein eifriger Förderer der Kolonien, 
unermüdlich in Werken der Nächstenliebe und der treueste Freund seiner 
Freunde.) 
Seinen früheren Chef, den Fürsten Bismarck, sah Herzog nach dem Ein— 
tritt in den Ruhestand nur noch einmal in Friedrichsruh vor seiner Reise nach 
Amerika. 
Finanzminister Hobrecht 
(ef. Bd. III. S. 369). 
Ueber den Besuch Hobrechts in Friedrichsruh am 17. Dezember 1878, 
dessen wirklicher Verlauf Bd. III. S. 381 geschildert ist. hatte sich ein förm- 
licher Mythenkranz geschlungen. Die „Kölnische Ztg.“ wußte darüber folgendes 
zu erzählen: „Fürst Bismarck, der mehr und mehr zu seinen konservativen 
Anschauungen zurückgekehrt ist, hat sich zwar im Grundsatz nicht abgeneigt er- 
klärt, auf die von Herrn Hobrecht empfohlene bedingte Quotisirung einzugehen, 
aber zum Abschluß ist die Angelegenheit noch nicht gelangt. Um die Sache 
ins reine zu bringen, reiste der Finanzminister neulich nach Friedrichsruh und 
wurde schon auf dem Bahnhof vom Fürsten selbst empfangen, der es sich nicht 
nehmen ließ, seinen werten Gast mit seiner schönen Besitzung bekannt zu machen, 
indem er ihn durch Wald und Feld und kreuz und quer herumkutschirte, so
	        
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