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ersterer sich für die Art und Weise, wie der Anteil des Landes an der Reichs—
politik ausgeübt wird, lebhaft interessirt. Die ganze Stellung des
Bundesrats im Reiche würde an Wichtigkeit gewinnen, wenn die
Minister der Einzelstaaten, von denen die Bevollmächtigten zum Bundesrat die
Instruktion erhalten, letztere auch persönlich vor der eigenen Kammer zu vertreten
hätten, und wenn das öffentliche Interesse dafür durch Diskussion stärker als
bisher wachgerufen würde. Der Verkehr der Einzelstaaten mit dem Bundesrat
wird unserer Ansicht nach zu vorwiegend vom diplomatischen Standpunkt aus
behandelt, also als eine auswärtige Angelegenheit für den einzelnen Bundesstaat.
Wir halten diese Auffassung für unzutreffend. Es ist eine innere und nationale
Angelegenheit, die dabei vorliegt.
Dem preußischen Herrenhause ist durch unzweckmäßige Behandlung und
unzulängliche Beteiligung die Bedeutung, die es nach der preußischen Verfassung
ursprünglich haben sollte, und die die frühere preußische Kammer ihrerzeit un-
bestritten gehabt hat, zum großen Teile verloren gegangen, und es wäre ein
großer Schaden für unsere Reichsinstitutionen, wenn schließlich das Gewicht des
Bundesrats im Reiche auch auf dem parlamentarischen Gebiete sich in analoger
Weise abminderte wie das des Herrenhauses in Preußen. Wir sagen aus-
drücklich „auf parlamentarischem Gebiete“, denn daß hinter dem Bundesrat die
gesamten deutschen Regierungen, einschließlich der preußischen, mit ihrer mili-
tärischen Macht stehen, ist eine Thatsache, die schon außerhalb des parlamentarischen
Gebietes liegt. Bei der Handhabung und Entwicklung der inneren Verfassung
bleibt der Appell an die Gewalt die ultima ratio, mit deren Anwendung die
Bedeutung der Volksvertretung und das Gleichgewicht der parlamentarischen
Institutionen aufhört.
Das Imponderabile in der Bedeutung des Bundesrats sollte nach der
Absicht der Verfassung parlamentärisch stärker in Wirkung treten, als dies bisher
unseren Eindrücken nach der Fall ist. Ein unentbehrliches Requisit hierfür aber
ist eine starke Teilnahme der öffentlichen Meinung des deutschen Volkes an den
Verhandlungen des Bundesrats, und die kann zunächst und ohne Verfassungs-
änderung nur durch eine stärkere Beschäftigung der deutschen Landtage mit der
Reichspolitik angestrebt werden, denn zur Herstellung der Oeffentlichkeit der
Bundesratsverhandlungen würde eine Verfassungsänderung notwendig sein, von
der wir nicht wissen, ob sie erreichbar ist. 1)
*
1) „Hamb. Nachr.“ vom 21. Februar 1896; ef. Ihs. Penzler a. a. O., Bd. VII,
S. 37. Der dieselbe Frage behandelnde Artikel der „Hamb. Nachr.“ vom 19. Februar 1896
ist in das Penzlersche Werk nicht aufgenommen, kommt also für unseren Zweck nicht in Frage.
Wohl aber ist auf Bismarck wieder zurückzuführen der Artikel der „Hamb. Nachr.“ vom
28. Juni 1897, ef. Johs. Penzler a. a. O., Bd. VII, S. 327. Da derselbe die in dem
oben stehenden Artikel enthaltenen Ausführungen zum Teil wörtlich wiedergiebt, so konnte
von einem Abdruck hier Umgang genommen werden.