Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

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3. Die Verantwortlichkeit für Bundesratsporlagen trägt nicht der Reichs- 
Kanzler, sondern der Wundesrat. Die bStellung des Reichskanzlers zum 
Bundesrat. 
Der Reichskanzler hat als solcher für den Inhalt der Vorlagen absolut 
gar keine Verantwortlichkeit, sondern nur soweit, wie er als preußischer Bevoll- 
mächtigter, falls er das gleichzeitig ist, sie im Bundesrat eingebracht oder für 
dieselben gestimmt hat. In beiden Fällen aber kann er nicht nach persönlichem 
Ermessen verfahren, sondern nur nach Instruktion, welche ihm der König auf 
Grund der Verhandlungen und Beschlüsse des preußischen Ministeriums erteilt. 
Der Reichskanzler kann in vielen Fällen selbst die Initiative ergreifen, aber je 
weiter er den Kreis dieser seiner Initiative ausdehnt, desto weniger wird ihm Zeit 
bleiben, Vorlagen anderweitigen Ursprungs zu prüfen und sich von der Richtigkeit 
jeder Einzelheit in denselben gewissenhaft zu überzeugen. 
Es ist eine staatsrechtlich unrichtige Gewohnheit, den ersten preußischen 
Bevollmächtigten, so oft er das Wort nimmt, als Reichskanzler zu bezeichnen. 
Er hat in dieser letzteren Eigenschaft, wenn er nicht zugleich preußischer Bevoll- 
mächtigter ist, nicht einmal das verfassungsmäßige Recht, den Reichstagsverhand- 
lungen beizuwohnen und nach Belieben das Wort zu ergreifen. Die Verant- 
wortlichkeit für die an den Reichstag gebrachten Vorlagen liegt im vollsten 
Maße bei dem Bundesrat, bei der Gesamtheit der verbündeten Regierungen 
und ihren Ministerien. ) 
* 
Die Vorlagen, die an den Reichstag gelangen, sind keine Vorlagen des 
Reichskanzlers, sondern Vorlagen der verbündeten Regierungen, wie sie ihren 
Willen durch ihre Organe im Bundesrat kundgeben. Die Ueberschätzung der 
Beteiligung des Reichskanzlers an diesen Dingen ist eine Tradition aus der 
Vergangenheit, die sich auf die Dauer nicht durchführen läßt. Die Verantwort- 
lichkeit für die Vorlagen, welche infolge bundesrätlicher Beschlußnahme an den 
Reichskanzler gelangen, ruht nicht beim Reichskanzler, welcher nur für die 
Anordnungen des Kaisers nach Maßgabe Artikels 16 der Verfassung die Ver- 
antwortlichkeit trägt, wenn er das Kaiserliche Transmissiorale gegenzeichnet, aber 
keineswegs für die Beschlüsse des Bundesrats. Die ganze Reichsverfassung 
würde in ihrer Handhabung nach der unitarischen Seite hin gefälscht, wenn 
man den Reichskanzler in einer anderen Eigenschaft als in der eines preußischen 
Bevollmächtigten zum Bundesrat für die preußischen Vorlagen verantwortlich 
machen wollte. Das Schwergewicht der Reichsregierung liegt nicht im Reichs- 
  
1) „Oamb. Nachr.“ vom 27. Januar 1892; ek. Johs. Penzler a. a. O., Bd. III, 
S. 67. Eine Umschreibung des hier und weiter unten Gesagten findet sich in einem gleich- 
falls Bismarck zugeschriebenen Artikel der „Hamb. Nachr.“ vom 7. April 1892; cs. Johs. 
Penzler a. a. O., Bd. III, S. 162.
	        
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