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Weise durch Uebertragung beider Aemter auf eine Person vermieden worden
und dies wird so bleiben müssen. Kann man sagen, daß die deutsche Politik
innerhalb des preußischen Ministeriums mehr in der Hand der auswärtigen
preußischen Minister als in der des Ministerpräsidenten liegt, so ist es nich
wahrscheinlich, daß dieser Einfluß des preußischen auswärtigen Ministers
dauernd mit der Politik des preußischen Gesamtministeriums in Widerspruch
treten könnte. Das leuchtet ein, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die
preußischen Staatsminister, wir glauben ohne Ausnahme, Mitglieder des
Bundesrats und an den Diskussionen desselben zur Teilnahme jederzeit
berechtigt sind, wenn auch die Abgabe des preußischen Votums, genau ge-
nommen, nur nach der Instruktion des preußischen auswärtigen Ministers
erfolgen kann. Andererseits werden die Ausschüsse des Bundesrats, in denen
seine Beschlüsse ihre Vorbereitung finden, noch nicht von dem Reichskanzler,
sondern in der Regel von dem betreffenden preußischen Ressortminister, und
wenn dieser den Vorsitz nicht selbst übernimmt, von einem höheren Rate in seinem
Auftrage präsidirt, so daß der preußische Einfluß, unabhängig von dem Reichs-
kanzler, seine Kanäle hat, durch die er sich geltend machen kann. Wir sehen
deshalb a priori keinen Grund, warum, wenn das preußische Ministerium in
sich einig und geschlossen bleibt, die jetzt ins Werk gesetzte Trennung des
Reichskanzler-Amtes von der preußischen Ministerpräsidentschaft geschäftlich
unhaltbar sein sollte. 1)
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Der preußische Minister des Auswärtigen ist der Ressortminister für die
Beziehungen Preußens zu den übrigen deutschen Staaten und zum Bundesrate,
und die Instruktion der preußischen Bevollmächtigten zum Bundesrat hat
formell von ihm auszugehen. Er kann diese Instruktion ohne Rückfrage beim
Staatsministerium erlassen, wenn er die Gewißheit hat, daß das letztere
a limine mit derselben einverstanden sein werde. Das ist in der Regel der
Fall, wenn er sich in persönlicher Rücksprache mit seinen beteiligten Minister—
kollegen verständigt hat; zweifelt er an einem solchen Einverständnisse mit dem
Staatsministerium, so hat er natürlich eine Beratung desselben herbeizuführen,
und wird sich dann verpflichtet fühlen, nach dem Staatsministerialbeschlusse
die preußischen Vertreter im Bundesrate mit Instruktion zu versehen. Aber
seine Verpflichtung, als preußischer Minister der auswärtigen Angelegenheiten
dem preußischen Landtage verantwortliche Rede zu stehen, wird dadurch nicht
aufgehoben und auch nicht dadurch, daß er neben den preußischen auswärtigen
Angelegenheiten auch die Geschäfte des Reichskanzlers verwaltet. Ohne Zweifel
stimmen im Bundesrat die Gesamt-Regierungen der Bundesstaaten und nicht
1) „Hamb. Nachr.“ vom 27. März 1892, bei Johs. Penzler Bd. III, S. 138.