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Caprivi!) genoß, was ich vorausschicken will, die Erziehung desselben Lehrers
wie Bismarck (Direktor Bonnell). Er hat auf der Universität studirt, aber die
nach militärischer Dienstberechnung eingebüßte Zeit durch rasches Aufsteigen bis
zum Hauptmann eingeholt.
Im Sommer 1890 traf Caprivi mit einem Abgeordneten zusammen, der
vor einigen dreißig Jahren als Einjähriger unter dem Kommando des Ein—
jährigeninstruktors Lieutenant v. Caprivi gestanden hatte. Im Laufe des Ge—
spräches, das diese Erinnerungen zeitigten, erwähnte der Abgeordnete, daß schon
damals die Einjährigen ihrem verehrten direkten Vorgesetzten eine glänzende
Zukunft prophezeit, wenn sie auch nicht an den Posten eines Reichskanzlers,
der damals noch unbekannt war, gedacht hätten, und er erzählte dem da—
maligen Kanzler nachstehende, für den Lieutenant v. Caprivi charakteristische
Geschichte. Eines Tages waren die Einjährigen — unter ihnen der Erzähler —
in einer Untersuchung gegen einen Feldwebel zur Zeugenvernehmung vorgeladen.
Die drei erschienen in der Kaserne und fragten den Unteroffizier du jour nach
der Stätte, wo der wichtige Gerichtsakt vor sich gehen sollte. „Natürlich beim
Lieutenant Caprivi.“ „Warum natürlich?“ fragte einer der Freiwilligen. „Nu,
der ist doch der einzige Lieutenant in der Kaserne, der immer auf seinem Zimmer
Tinte hat.“
Caprivi machte später seine Schule im Generalstab und im preußischen
Kriegsministerium und zeichnete sich in den beiden letzten Feldzügen in General-
stabsstellungen aus. Im Jahre 1866 unterstand demselben in dem Haupt-
quartier der ersten Armee die Presse. Maßgebende Persönlichkeiten empfanden
es übel, daß von dort auch eine demokratische Zeitung bedient wurde. Caprivi
mußte dies dem Berichterstatter jenes Blattes mitteilen. Letzterer sprach sich
mit dem General darüber aus, und Caprivi sagte schließlich: „Na, Sie wissen
ja, wie die Herren sind; ich werde sie schon beruhigen.“ Und er that es.
Seine Aufgabe als Zensor faßte er ebenfalls in großem Stile auf. Acht Tage
nach Beginn des Feldzuges sagte er zu jenem Berichterstatter: „Ich sehe, Sie
wissen, was Sie schreiben dürfen, und was nicht. Kommen Sie nur manch-
mal noch aus Anstand zu mir.“
Sein Urteil über Caprivi als Militär, geschöpft aus den Wahrnehmungen
während des französischen Krieges, faßt der bekannte Militärschriftsteller Fritz
Deutschen Reichs. Eine Biographie, zusammengestellt und herausgegeben von L. E. Seidel,
Langensalza. Das politische System des Reichskanzlers Grafen v. Caprivi. Von Professor
Dr. Max Schneidewin, Danzig 1894. Die Reden des Grafen v. Caprivi, 1883—1893,
mit der Biographie und dem Bildnis, herausgegeben von Rudolf Arndt, Berlin 1894.
Ein wenig mehr Licht über Bismarck und Caprivi, Meinungen, keine Enthüllungen. Berlin,
Fr. Stahn, 1892. Erinnerungen an Caprivi. Von Dr. v. Schulte. „Deutsche Revue“,
Maiheft 1899.
1) Genealogische Mitteilungen über die Familie v. Caprivi im Beiblatt der Nr. 155
der „Berliner Neuesten Nachrichten“ v. 26. 3. 90.