Die Reserve, welche General v. Caprivi hinsichtlich der Schlachtflotte
beobachtete, hatte mancherlei Ursachen: 1. schwankten die Meinungen der Fach-
leute immer noch über den Wert der Panzerschiffe, seitdem so viele Fragen auf
dem Gebiete des Seekrieges entstanden waren, die als abgeschlossen noch nicht
betrachtet werden konnten; 2. waren selbst die Anhänger der Panzerschiffe über
die Frage, ob große oder kleine Schlachtschiffe das bessere seien, geteilt, und
3. würde der Bau einer Schlachtflotte dem Lande in seinen Augen zu große
Ausgaben auferlegt haben. Die Gesamtheit dieser Verhältnisse veranlaßte den
General v. Caprivi, sich in seinen für die Aufgabe der deutschen Flotte als
richtig erkannten Gesichtspunkten zu beschränken, dieser Aufgabe aber mit allen
Kräften nachzustreben. Er bemerkte, daß heute keine Flotte eines Staates mehr,
wie früher, die Beherrscherin der Meere sein könne, und daß eine jede nur be-
stimmte Meere abschließen könne, und er zog daraus die Folgen für Deutsch-
land in dem Sinne, daß der deutschen Flotte die absolute Sicherstellung der
Küste anheimfalle, und daß sie auf dem hohen Meere ihre Aufgabe in einem
mit aller Energie geführten Kreuzerkriege erkennen müsse, woraus sich dann die
Richtungen ergaben, welche für den Neubau von Kriegsschiffen eingehalten werden
mußten.
Seinen Etat verfocht Caprivi im Reichstag mit Erfolg, und er erwies
sich hier als ein geschickter, aber haushälterischer 1) Redner; er sprach immer
nur kurz und knapp, mit Sachlichkeit und Ruhe. Die Anzapfungen eines freisinnigen
Abgeordneten, der ihn mit dem Reichskanzler zu verhetzen suchte, wies er mit Ge-
lassenheit zurück. Die Gründe seines Rücktritts von der Leitung der Admiralität
sind bekannt. Das Bestreben, unsere Marine auch für die Offensive stärker zu
machen, wurde in den Fachkreisen mit immer größerem Nachdruck verfochten und
fand auch die Unterstützung des jetzigen Kaisers, der sich in diesen sowie in den
Marineorganisationsfragen eine besondere Sachkenntnis zutrauen durfte.
v. Caprivi hatte ursprünglich seine volle Verabschiedung nachgesucht, später
aber auf Wunsch des Kaisers darauf verzichtet und nur auf der Entlassung aus
seiner Stelle an der Spitze der Admiralität beharrt. Um ihn von seinem an-
fänglichen Entschluß zurückzubringen, hatten Graf Herbert Bismarck und General
v. Albedyll ihn besucht. Wie sehr namentlich dem Fürsten Bismarck daran ge-
legen, eine so bedeutende und bewährte militärische Kraft dem Dienste des
Kaisers zu erhalten, hat sich nicht nur aus der bekannten Aeußerung der
„Nordd. Allg. Ztg.“ (daß das Entlassungsgesuch nirgends größeres Bedauern
als im Auswärtigen Amte hervorgerufen habe) ergeben, sondern auch aus der
Thatsache, daß der Reichskanzler nach dem erwähnten Besuche seines Sohnes
und des Generals v. Albedyll bei Herrn v. Caprivi letzteren ersuchen ließ, zu
1) Als Chef der Admiralität hielt Caprivi im Reichstag im ganzen nur 16 Reden.