Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

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Kabinets gedacht habe, und zwar weil der damalige Reichskanzler zu jener Zeit, 
als die Versöhnungspolitik noch nicht eingeführt war, sondern ein innerer Kampf 
im Staatsinteresse unvermeidlich schien, in Herrn v. Caprivi den Mann zu sehen 
glaubte, den liberalisirenden und zivilistischen Einflüssen im Ministerium eventuell 
die Spitze zu bieten. 1) 
Auch diese Kombination läßt ersehen, daß Bismarck vor seinem Rücktritt 
nicht nur nichts gegen Caprivi hatte, sondern sogar viel von ihm hielt. 
So wird denn auch versichert, daß sich Bismarck noch vor der Reise nach 
Friedrichsruh verschiedenen Persönlichkeiten gegenüber mit Anerkennung über 
die Tüchtigkeit und den festen Charakter seines Amtsnachfolgers geäußert 
habe. 2) 
Aber diese Stimmung hielt nicht lange an; man muß die sieben Bände 
von Johs. Penzlers Werk: „Fürst Bismarck nach seiner Entlassung“ durchlesen, 
um ermessen zu können, bis zu welchem Grade sich der Antagonismus zwischen 
dem ersten und zweiten Reichskanzler steigerte. Wie tief die Gegensätze waren, 
erhellt so recht deutlich aus einem Briefe, der erst nach Caprivis Ableben 
bekannt wurde 3), und den der letztere an einen Redakteur des Berliner Tag- 
blattes Namens Nikolai d. d. Montreux, 25. Februar 1895 richtete 1). Hier 
heißt es: 
„Aber so sehr ich mich über jeden Versuch einer Ehrenrettung des zweiten 
Kanzlers freue, so muß ich es mir doch versagen, auf Ihren ersten Wunsch: 
„Gesichtspunkte, von denen ich mich habe leiten lassen“ — einzugehen. Ich 
würde Ihnen nur Bekanntes und öffentlich Ausgesprochenes sagen können, wenn 
ich nicht Verhältnisse berühren wollte, die mich nicht allein angehen. Ein nicht 
unerheblicher Teil meiner Motive hatte Bezug auf den Fürsten Bismarck, und 
1) „Oamb. Nachr.“ v. 13. 4. 1892. Unverbürgt ist die Notiz in der „Westd. Ztg.“ 
Nr. 237 v. 9. 10. 93, wonach Caprivi vor Bismarcks Entlassung den Gegensatz zwischen 
dem Kaiser und Bismarck verschärft habe. 
2) Besprechungen über Caprivi aus Anlaß seiner Ernennung zum Reichskanzler findet 
man in der „Westd. Ztg.“ Nr. 67 v. 20. 3. 90. „Berl. Börsen-Kurier“ Nr. 144 v. 
20. 3. 90. „Berl. N. N.“ Nr. 151 v. 24. 3. 90. „Berl. Tagebl.“ Nr. 144 v. 20. 3. 90. 
„Das Kleine Journal“ Nr. 78 v. 19. 3. 1890. 
3) Zu vergl. auch die Nekrologe Caprivis in dem „Berliner Börsen-Courier“ No. 68 
v. 7. 2. 99. „Magdeburgische Ztg.“ No. 69 v. 7. 2. 99. „Die Nation“ No. 20 v. 11. 
2. 99. „Neue Freie Presse“ No. 12379 v. 7. 2. 99. „Berliner Tageblatt“ No. 68 
v. 6. 2. 99 und No. 132 v. 17. 2. 99. „Kölnische Volkszeitung“ No. 122 v. 7. 2. 99. 
„Hannoverscher Courier“ No. 21781 v. 7. 2. 99. „Nat.-Ztg.“ No. 87 v. 8. 2. 99. 
„Köln. Ztg.“ No. 118 v. 11. 2. 99, Beiblatt No. 7 v. 13. 2 99. „St. Petersburger 
Zeitung“ Nr. 31 v. 12. 2. 99. „Die Zukunft“ v. 11. 2. 99. „Dresdner Nachrichten“ 
No. 59 v. 28. 2. 99. „Münchener Neueste Nachrichten“ Nr. 89 v. 23. 2. 99. „Augs- 
burger Abendzeitung“ Nr. 38 v. 7. 2. 99. « 
4) Veröffentlicht mit anderen Briefen Caprivis im „Berliner Tageblatt“ No. 101 
v. 24. 2. 99.
	        
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