ich darf so viel wohl Ihnen gegenüber aussprechen, daß ich bei aller Aner—
kennung des Glanzes seiner Person und unserer Heldenzeit, schon ehe ich Kanzler
wurde, erkannt zu haben glaubte, wie schwere Schäden die Kehrseite jener
glänzenden Medaille zeigte. Der Nation behilflich zu sein, daß sie, ohne an
den neugewonnenen nationalen Gütern Schaden zu leiden, in ein Alltagsdasein
zurückkehrte, in dem sie ihre alten Tugenden wiederfände, schien mir das nächste,
voraussichtlich nur im Laufe der Jahre zu erreichende Ziel. Fürst Bismarck
hatte, wie ja schon oft ausgesprochen ist, die innere Politik mit den Mitteln
der äußeren geführt, und die Nation war in Gefahr, ihren sittlichen Standard
sinken zu sehen. Indes, auch nur hierauf jetzt näher einzugehen, würde mir
nicht recht scheinen. Weiter werden Sie sich selbst sagen, wie vorsichtige Be—
handlung das persönliche Verhältnis zwischen Kaiser und Kanzler fordert, wie
tief es in die Amtshandlungen des letzteren eingreift, und wie wenig davon an
die Oeffentlichkeit kommen darf.“
Zu dieser Stelle schrieben die „Hamburger Nachrichten“: „Die Rede—
wendung, daß Caprivi, schon ehe er Kanzler wurde, erkannt habe, wie schwere
Schäden die Kehrseite der glänzenden Medaille zeige, bildet eine Bestätigung
der in den „Gedanken und Erinnerungen“ des Fürsten Bismarck auf das
Zeugnis des Feldmarschalls Manteuffel gemachten Angabe, daß Caprivi schon
in der Zeit, als er Abteilungschef und Brigadier in Berlin war, in Gemein—
schaft mit dem Lebbinschen Zirkel dem großen Kanzler die Stellung zu erschweren
suchte. Es heißt darüber Band II, S. 153 ff.:
„Zu den betreffenden Kreisen gehörte auch Oberst v. Caprivi, damals Ab-
teilungschef im Kriegsministerium. Ich will nicht entscheiden, zu welchem der
S. 147 aufgeführten Kategorien meiner Gegner er damals gehörte; bekannt
ist mir nur seine persönliche Beziehung zu Mitarbeitern an der „Reichsglockel,
wie dem Geheimrat v. Lebbin, Personalrat im Ministerium des Innern, der
auch in seinem Ressort einen mir feindlichen Einfluß ausübte. Der Feld-
marschall v. Manteuffel hat mir gesagt, daß Caprivi seinen, Manteuffels,
Einfluß bei dem Kaiser gegen mich anzuspannen versucht und meine Feind-
schaft gegen die Armee“ als Grund zur Klage und als eine Gefahr bezeichnet
habe. Es ist erstaunlich, daß Caprivi sich dabei nicht erinnert hat, wie die Armee
vor und zur Zeit meines Eintritts ins Amt, 1862, zivilistisch bekämpft, kritisiert
und stiefmütterlich verkürzt wurde, und wie sie unter meiner Amtsführung aus
der Alltäglichkeit des Garnisonlebens über Düppel, Sadowa und Sedan von
1864—1871 dreimal zum Einzuge in Berlin gelangte. Ich darf ohne Ueber-
hebung annehmen, daß König Wilhelm 1862 abdizirt hätte, daß die Politik,
die den Ruhm der Armee gründete, vielleicht nicht oder nicht so, wie geschah,
ins Leben getreten wäre, wenn ich ihre Leitung nicht übernommen hätte.
Würde die Armee zu ihren Heldenthaten und Graf Moltke auch nur den
Degen zu ziehen Gelegenheit erhalten haben, wenn König Wilhelm I.