Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

anders und durch andere beraten worden wäre? Wohl sicher nicht, wenn 
er niemand fand, der die Gefahren seiner Stellung zu teilen und zu bestehen 
bereit war.“) 
Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat in der 
Reichskanzlei v. Tiedemann 
(geboren 24. September 1836). 
Kurz vor der Herausgabe des IV. Bandes dieses Werkes ließ der Regierungs- 
präsident v. Tiedemann unter dem Titel „Persönliche Erinnerungen an den 
Fürsten Bismarck“ eine kleine Schrift 2) erscheinen. Aus den dickleibigsten Büchern 
über den Altreichskanzler kann man keine solche Quintessenz herausziehen, wie sie 
hier auf wenigen Blättern gegeben ist. Und diese anziehende Form zu dem 
fesselnden Inhalt! Mit Erlaubnis von Herrn v. Tiedemann lasse ich hier 
einige Auszüge daraus folgen, die geeignet sind, das früher von mir (Bd. IV. 
S. 145) entworfene Bild zu erweitern. 
Ein Blick in die Werkstätte von Bismarcks Schaffen. 
Der Fürst schrieb selbst sehr wenig, er liebte es, zu diktiren. Nach dem 
Kullmannschen Attentat, bei welchem die Kugel den Daumen seiner rechten 
Hand gestreift hatte, war es ihm beschwerlich, eine Gänsefeder (nur solche be- 
nutzte er) zu halten. Sein Diktiren aber war eigentümlicher Art. Das war 
kein ruhiger Strom langsam dahingleitender Gedanken; er sprach stoßweise, bis- 
weilen eine lange Pause machend, dann wieder die hervorquellenden Worte nur 
1) Vergl. auch den Artikel der „Hamburger Nachrichten“ No. 37 v. 13. 2. 99, gerichtet 
gegen den Versuch des „Hannoverschen Couriers“, den „Seelenadel“ Caprivis und sonstige 
„ideale“ Eigenschaften des zweiten Kanzlers auf Kosten des „Bismarck-Typus"“ hervor- 
zuheben und das glänzende Bild des geschichtlichen Heldentumes, das der große Kanzler 
seinem Volke darbietet, zu verdunkeln. Es heißt dort: 
„Wir finden diesen indirekten Versuch, die persönlichen Eigenschaften des Fürsten Bis- 
marck herabzusetzen, um so befremdlicher, um keinen stärkeren Ausdruck zu gebrauchen, als 
er in einem sonst nationalen Blatte und zu Gunsten gerade des Mannes stattfindet, der 
die Verantwortung für die vielen und schweren Schädigungen zu tragen hat, die nach der 
Entlassung des Fürsten Bismarck den deutschen Interessen zugefügt worden sind, und dessen 
„Seelenadel“ allein schon durch die bekannten Diffamationserlasse gegen seinen großen 
Vorgänger bei Gelegenheit der Hochzeit des Grafen Herbert hinreichend gekennzeichnet 
wird.“ 
2) Vortrag, gehalten in der Historischen Gesellschaft für den Netze-Distrikt in Brom- 
berg am 18. 11. 1897 von Christoph v. Tiedemann. Mit einem Faksimile. Leipzig, Ver- 
lag von S. Hirzel, 1898.
	        
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