anders und durch andere beraten worden wäre? Wohl sicher nicht, wenn
er niemand fand, der die Gefahren seiner Stellung zu teilen und zu bestehen
bereit war.“)
Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat in der
Reichskanzlei v. Tiedemann
(geboren 24. September 1836).
Kurz vor der Herausgabe des IV. Bandes dieses Werkes ließ der Regierungs-
präsident v. Tiedemann unter dem Titel „Persönliche Erinnerungen an den
Fürsten Bismarck“ eine kleine Schrift 2) erscheinen. Aus den dickleibigsten Büchern
über den Altreichskanzler kann man keine solche Quintessenz herausziehen, wie sie
hier auf wenigen Blättern gegeben ist. Und diese anziehende Form zu dem
fesselnden Inhalt! Mit Erlaubnis von Herrn v. Tiedemann lasse ich hier
einige Auszüge daraus folgen, die geeignet sind, das früher von mir (Bd. IV.
S. 145) entworfene Bild zu erweitern.
Ein Blick in die Werkstätte von Bismarcks Schaffen.
Der Fürst schrieb selbst sehr wenig, er liebte es, zu diktiren. Nach dem
Kullmannschen Attentat, bei welchem die Kugel den Daumen seiner rechten
Hand gestreift hatte, war es ihm beschwerlich, eine Gänsefeder (nur solche be-
nutzte er) zu halten. Sein Diktiren aber war eigentümlicher Art. Das war
kein ruhiger Strom langsam dahingleitender Gedanken; er sprach stoßweise, bis-
weilen eine lange Pause machend, dann wieder die hervorquellenden Worte nur
1) Vergl. auch den Artikel der „Hamburger Nachrichten“ No. 37 v. 13. 2. 99, gerichtet
gegen den Versuch des „Hannoverschen Couriers“, den „Seelenadel“ Caprivis und sonstige
„ideale“ Eigenschaften des zweiten Kanzlers auf Kosten des „Bismarck-Typus"“ hervor-
zuheben und das glänzende Bild des geschichtlichen Heldentumes, das der große Kanzler
seinem Volke darbietet, zu verdunkeln. Es heißt dort:
„Wir finden diesen indirekten Versuch, die persönlichen Eigenschaften des Fürsten Bis-
marck herabzusetzen, um so befremdlicher, um keinen stärkeren Ausdruck zu gebrauchen, als
er in einem sonst nationalen Blatte und zu Gunsten gerade des Mannes stattfindet, der
die Verantwortung für die vielen und schweren Schädigungen zu tragen hat, die nach der
Entlassung des Fürsten Bismarck den deutschen Interessen zugefügt worden sind, und dessen
„Seelenadel“ allein schon durch die bekannten Diffamationserlasse gegen seinen großen
Vorgänger bei Gelegenheit der Hochzeit des Grafen Herbert hinreichend gekennzeichnet
wird.“
2) Vortrag, gehalten in der Historischen Gesellschaft für den Netze-Distrikt in Brom-
berg am 18. 11. 1897 von Christoph v. Tiedemann. Mit einem Faksimile. Leipzig, Ver-
lag von S. Hirzel, 1898.