ermöglichte die Restitution staatlicherseits ihres Amtes entsetzter Bischöfe im Wege
der Gnade. Die schon in der Kommission vereinbarte Fassung dieses Artikels
war meines Erachtens eine wenig glückliche. Durch Königliche Gnade können
nach staatsrechtlichen Grundsätzen nur die subjektiven, nicht auch die objektiven
Folgen eines Straferkenntnisses beseitigt werden. Es kann nur die Strafe er-
lassen werden; soll aber beispielsweise ein Staatsdiener, der infolge einer Strafe
sein Amt verloren, letzteres wieder erhalten, so bedarf es außer der Begnadigung
noch eines zweiten Aktes: der Wiedereinsetzung in das Amt. Indem nun der
Art. 2 des Antrags der Konservativen die Wiedereinsetzung eines Bischofs in
das verlorene Amt zu einer unmittelbaren und notwendigen Folge des aus-
geübten Begnadigungsrechtes machte, verstieß er gegen die Natur der Sache und
gegen die bisherige Staatspraxis. Vollständig korrekt dagegen war der Bischofs-
artikel nach der Fassung der Regierungsvorlage. Hier war die Ermächtigung
gefordert, einem entlassenen Bischof die staatliche Anerkennung als Bischof seiner
früheren Diözese wieder erteilen zu können, die Ermächtigung also zu dem oben-
erwähnten Art. 2. Das Begnadigungsrecht, das verfassungsmäßig unbeschränkt
ist, war hier nicht erwähnt. Mit meinen sämtlichen Fraktionsgenossen habe ich
aus den von mir skizzirten Gründen in der zweiten und dritten Lesung gegen
den Art. 2 des von Rauchhauptschen Antrags gestimmt. Wäre die Regierungs-
vorlage zur Abstimmung gelangt, so würde ich für dieselbe votirt haben, so
gut wie ich das bereits im Jahre 1880 gethan. Nachdem nun aber mit großer
Majorität die Fassung des von Rauchhauptschen Antrags angenommen worden
war, mußte ich mir die Frage vorlegen: Bietet diese mangelhafte und theoretisch
anfechtbare Fassung einen genügenden Grund, das ganze Gesetz zu verwerfen?
Und diese Frage mußte ich nach gewissenhafter Erwägung verneinen. In seiner
praktischen Wirkung ist der jetzige Bischofsartikel gleichbedeutend mit demjenigen
der Regierungsvorlage. Der eine wie der andre gewährt der Staatsregierung
die Möglichkeit, einen entlassenen Bischof in sein früheres Amt zurückzurufen und
damit im Interesse der Seelsorge eine geordnete Diözesenverwaltung wieder her-
zustellen.
Wenn Sie mir nun in ihrem Briefe die Frage vorlegen, ob nicht durch
das neue Gesetz die ganze Maigesetzgebung faktisch beseitigt werde, so bitte ich
Sie, verehrter Freund, diese Frage an der Hand der Thatsachen selbst beant-
worten zu wollen. Rekapituliren wir, was geschehen ist: Definitiv beseitigt ist
das Kulturexamen und das Institut der Staatspfarrer; dann ist es in das
Ermessen der Staatsregierung gestellt, die Bistumsverweser vom Eide zu dis-
pensiren, die staatliche Vermögensverwaltung und das Sperrgesetz in einzelnen
Diözesen aufzuheben und, wenn es ihr zweckmäßig erscheint, die Rückkehr des
einen oder andern abgesetzten Bischofs zuzulassen. Im übrigen ist die ganze
Maigesetzgebung intakt geblieben. Die Anzeigepflicht, die Absetzbarkeit der Bischöfe,
der kirchliche Gerichtshof rc. 2c., alle diese wesentlichsten Punkte des staatlichen