Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

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hervorgerufene Belastung der Krankenkassen nicht zu groß sei. Die Staats- 
regierung verhalte sich daher zu Abänderungen dieses Punktes keineswegs ab- 
lehnend: man könnte etwa den Krankenkassen die Entschädigung für eine 
kürzere Zeit (vier Wochen) ganz auflegen, für längere Aufwendungen aber die 
Erstattung durch die Unfallversicherungs-Gesellschaften vorschreiben. Dies ent- 
spreche auch dem Interesse der letzteren; denselben müsse nämlich daran liegen, 
daß die Krankenkassen die ihnen zufallenden Unfälle recht sorgsam behandelten, 
damit der Prozentsatz derjenigen Unfälle, welche eine länger dauernde Ent- 
schädigung zur Folge hätten und deshalb den Unfallversicherungs-Genossenschaften 
zufielen, ein recht geringer werde. Zu dem Zweck würde es im Interesse der 
letzteren liegen, durch Unterstützung und Einwirkung die von den ersteren ge- 
troffenen Maßnahmen thunlichst erfolgreich zu machen. — Was die Freilassung 
der Arbeiter anbetreffe, so habe man die früher in Aussicht genommene Heran- 
ziehung nach der Höhe des Arbeitsverdienstes fallen lassen, weil dieselbe 
schwierig und unsicher gewesen sein dürfte; die Verschiedenheit des Verdienstes 
für mehrere gleichartige Zeitabschnitte und die oft wechselnde Höhe innerhalb 
eines und desselben Zeitabschnittes würden Ungleichheiten des Beitrags zwischen 
sonst gleichgestellten Arbeitern und dadurch Unzufriedenheit unter den letzteren 
zur Folge gehabt haben. Dann aber habe man nur die Wahl gehabt zwischen 
einer gleichmäßigen Heranziehung aller Arbeiter und der gänzlichen Freilassung 
derselben. Man habe sich für die letztere entschieden; eine Kompensation liege 
in der Belastung der Krankenkassen, für die ja eine Beitrittsverpflichtung der 
Arbeiter und Beiträge derselben in Aussicht genommen seien, mit der Ent- 
schädigung für kleinere Unfälle, sowie in der Beschränkung des zu berücksichtigenden 
Arbeitslohns auf 1200 Mark. 
Im Reichstag sprach Geheimrat Lohmann bei Beratung des zweiten 
Unfallversicherungs-Gesetzentwurfs einmal, bei Beratung des Gesetzentwurfs 
über die Krankenversicherung der Arbeiter dreißigmal. Der erste Entwurf 
blieb im Reichstag in der Kommission stecken, der zweite reifte das Gesetz vom 
15. Juni 1883 (Reichs-Gesetzbl. S. 73—104). 
Auch an dem dritten Unfallversicherungs-Gesetzentwurfe war Geheimrat 
Lohmann zu Anfang noch durch Aufstellung von Grundzügen beteiligt. In- 
dessen zeigte sich bald, daß seine Ansichten von denen Bismarcks in einer prin- 
zipiell wichtigen Frage auseinandergingen. Als Lohmann die berufsgenossen- 
schaftliche Organisation der Arbeiterversicherung in der von dem Reichskanzler 
gewünschten Form für bedenklich erachtete, schieden sich naturgemäß ihre Wege, 
und es rückte für Lohmann der Geheimrat Bödiker in die Stelle des Sozial- 
politikers des Reichskanzlers ein. 1) 
1) Zu vergl. über den Fall „Berliner Tageblatt" Nr. 450 v. 26. 9. 83, 
Nr. 543 v. 20. 11. 83, „Berliner Politische Nachrichten“" Nr. 274 v. 24. 11. 83,
	        
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