Der Bundesrat des Deutschen Reichs.
Vorwort.
Die Prophezeiung Bismarcks, daß unser Volk nur „durch Blut und Eisen“
zur ersehnten Einheit gelangen werde, hat sich zweimal erfüllt, 1866 für Nord-
deutschland, 1870 für das gesamte Vaterland. Schon mit dem 1. Januar 1871
war die Verfassung des neuen Deutschen Reichs amtlich verkündet, am 18. Januar,
dem Gedenktage der Gründung des preußischen Königtums, wurde in Versailles
die feierliche Weihe der großen geschichtlichen Wendung begangen, und am
21. Januar erfolgte in München durch die Annahme der Bündnisverträge der
Schlußstein im deutschen Einigungswerk. Dasselbe hatte durch die den süd-
deutschen Staaten gewährten Konzessionen von seiner pyramidenartigen Form
ein wenig eingebüßt, die Grundlagen des Baues waren aber doch dieselben
geblieben; denn die Verfassung des Norddeutschen Bundes ist in allen wesent-
lichen Punkten unverändert auch als Grundgesetz des deutschen Gesamtreichs
beibehalten worden. Daß dies geschehen, ist ein Beweis, wie richtig der Bau-
meister bei Gründung des Norddeutschen Bundes die Grundlagen der Verfassung
entworfen und festgestellt hatte. Richtig ist, daß Preußen durch die neue Ver-
teilung der Stimmen im Bundesrat — es erhielt Bayern 6, Württemberg 4
und Baden 3 Stimmen — sein bisheriges Uebergewicht in dieser hohen Körper-
schaft verloren hatte. Aber darauf kam es Bismarck, wie er bereits am 22. No-
vember 1870 in Versailles dem Abgeordneten Bamberger gegenüber bemerkt hatte,
gar nicht an, im Gegenteil wünschte er, daß das übrige Deutschland ins Ge-
wicht falle.
Mit dem Eintritt der Süddeutschen in den Bundesrat war diesem neues
Blut zugeführt, und es war zu hoffen, daß er jetzt dem Ideal, das dem Reichs-
kanzler ursprünglich vorgeschwebt hatte, sich mehr nähern würde, als das bisher
thatsächlich der Fall war; denn daß der Bundesrat des Norddeutschen Bundes
und der des Zollvereins in seinen Geschäftsmaximen mehr Aehnlichkeit mit dem
alten Bundestage hatte als mit dem von Bismarck erträumten großen Senate,
woselbst die besten Talente der Einzelstaaten den Boden finden sollten, in