Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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genommen habe, in das Gebiet der Geschichtsfälschungen zu verweisen. Trotz 
des unaufhörlichen Drängens des Gesandten von Arnim, wofür sich in den 
Akten zahlreiche Belege vorfinden, hat die preußische Regierung eine strikte 
Zurückhaltung in dieser dogmatischen Frage für angezeigt gehalten und durch 
dieselbe keine Trübung ihres bisherigen guten Verhältnisses zum Papst eintreten 
lassen. Eine solche ist erst erfolgt durch die in den später veröffentlichten De— 
peschen charakterisirte Verstimmung gegenüber der römischen Diplomatie, nachdem 
die Kurie sich geweigert hatte, der Regierung gegen die Angriffe des zunächst 
noch mit Mißbrauch der päpstlichen Autorität auftretenden Zentrums beizustehen. 
Der ganze weitere Verlauf der Angelegenheit zeigt aber, daß es sich seitens des 
Reichskanzlers in dem Kulturkampf nur um eine Unterbrechung des Friedens, um 
einen zeitweisen Kriegszustand handelte, keineswegs aber darum, den letzteren 
zu einer dauernden Institution zu gestalten, und daß der Beginn des Kampfes 
identisch ist mit der Parteinahme der päpstlichen Politik für das Zentrum und 
mit dem Bündnis zwischen dem Papste Pius IX. und dieser regierungsfeind- 
lichen Partei. Von derselben war in Rom der Kampf gegen die Regierung 
im April und Mai 1871 vorbereitet worden; der eigentliche Anfang desselben 
datirt vom 23. Juni 1871, an welchem Tage der Kardinal-Staatssekretär 
Antonelli dem Grafen Tauffkirchen gegenüber es ablehnte, dem feindlichen Auf- 
treten des Zentrums gegen das Reich Einhalt zu gebieten. Dieser Akt der 
Feindseligkeit seitens der Kurie wurde von der preußischen Regierung durch die 
Ordre vom 8. Juli 1871 erwidert, durch welche die katholische Abteilung im 
Kultusministerium aufgehoben wurde. In dieser Weise begann eine durch diplo- 
matische Verhandlungen mit dem Verlauf in pejus sich vorbereitende Kampf- 
periode, die mit dem Zeitpunkt abschloß, als infolge des Regierungswechsels 
auf dem päpstlichen Thron die Wiederherstellung des Friedens versucht und 
angebahnt werden konnte. 
Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß der Reichskanzler wiederholt den 
Konservativen vorgehalten hat, wie ganz anders ohne ihren Abfall der Kultur- 
kampf (und die Reichsgesetzgebung) sich gestaltet haben würde. Von der kon- 
servativen Partei verlassen, mußte die Regierung anderweitig die Unterstützung 
suchen, deren sie zur Erhaltung und Belebung der neuen Reichsinstitutionen be- 
durfte, und sie fand sie bei den Nationalliberalen. In Verbindung mit diesen 
aber war sie genötigt, den Kampf gegen den Ultramontanismus nach einer 
andern Taktik zu führen, als sie es an der Spitze der konservativen Partei 
gekonnt hätte. Als Fürst Bismarck mit Dr. Falk in Konflikt kam, dem er 
nicht bis zum Zivilehegesetz folgen wollte, dessen Drohung mit Demission er 
aber nachgab, schrieb er in einem Privatbriefe an Herrn v. D.: „Auf Ihr ge- 
fälliges Schreiben, in welchem Sie Ihren Gedanken bezüglich der Wirkungen 
der Zivilstandsgesetze einen erneuerten Ausdruck geben, beehre ich mich ergebenst 
zu erwidern, daß in dem Stadium, in welchem sich die Angelegenheit befindet,
	        
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