Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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Kultusminister v. Lutz!) 
(geboren 4. Dezember 1826, gestorben 3. September 1890). 
Man hat den Minister v. Lutz den „bayerischen Bismarck“ genannt, nicht 
ganz ohne Berechtigung, denn er war, wie Bismarck in Preußen, die Seele 
des bayerischen Ministeriums, und zwar in einem Dezennien umfassenden Zeit- 
raum und unter den denkbar schwierigsten Verhältnissen. Ich selbst hatte Ge- 
legenheit, ihm näher zu treten, als er in das Zivilkabinet des Königs eintrat. 
Während seines Aufenthaltes in der Umgebung des Königs auf dem Schlosse 
Berg am Starnberger See hatte ich fast täglich das Glück, ihn in den Abend- 
stunden, nach vollbrachter Tagesarbeit, zu sehen und die Klarheit seines Geistes. 
ebenso zu bewundern wie seine persönliche Liebenswürdigkeit. Hier nur ein 
Beweis der letzteren. Mitte der sechziger Jahre unterzog ich mich der Bear- 
beitung einer Preisaufgabe der Münchener juristischen Fakultät über den Eigen- 
tümer des Kirchenvermögens. Das Resultat der Arbeiten wird in München 
stets in einer feierlichen Sitzung der Universität verkündet, welcher der Kultus- 
minister mit seinem Referenten über die Universitätsfragen, damals Ministerial- 
rat Dr. v. Völk, beizuwohnen pflegt. Unmittelbar nach der Verkündung des 
Resultats der Preisarbeiten fuhr der Minister v. Lutz bei meiner Mutter vor, 
um derselben als der erste die freudige Botschaft zu überbringen, daß meine 
Arbeit von der Fakultät mit dem ersten Preise gekrönt worden sei. Nach Be- 
endigung meiner Staatsexamina berief mich der Kultusminister v. Lutz in sein 
Ministerium als Hilfsarbeiter, in welcher Eigenschaft ich mehrere Jahre hindurch 
Gelegenheit hatte, ihn bei der Erledigung der Geschäfte zu beobachten. Die 
Schärfe und Sicherheit seines Urteils, die Schnelligkeit seiner Entscheidungen 
zeigte sich besonders bei den Sitzungen des bayerischen obersten Schulrats, einer 
von Lutz ins Leben gerufenen Schöpfung, welche berufen war, die Entscheidung 
der ministeriellen Instanz in den technischen Schulfragen zu erleichtern. 
Am hoöchsten ist Lutz wohl anzurechnen sein Anteil an der Gründung des 
Deutschen Reichs. Der Abschluß des am 23. November 1870 unterzeichneten 
Versailler Vertrags, in dem er dem Reiche gab, was dasselbe nicht entbehren 
1) Lutz war der Sohn eines Volksschullehrers zu Münnerstadt im fränkischen Rhön- 
gebirge, bezog 1843 die Universität Würzburg und wurde demnächst Richter. 1857 wurde 
er der in Nürnberg tagenden Konferenz für Ausarbeitung des deutschen Handelsrechtes als 
Protokollführer beigegeben. Seine umfassenden Kenntnisse und sein überaus klares juristisches. 
Urteil sicherten dem Protokollführer bereits in dieser Kommission eine hervorragende Stellung. 
1863 wurde er in das Zivilkabinet des Königs berusen und avancirte im Dezember 1866. 
zum Chef dieser in Bayern seinerzeit hochwichtigen Stelle. 18. September 1867 Ernennung 
zum Staatsminister der Justiz, seit 20. Dezember auch zum Staatsminister für Kirchen- 
und Schulangelegenheiten. 23. August 1872 Abgabe des Justizministeriums an Fäustle. 
1878 Uebernahme des Vorsitzes im Ministerrate. 1880 Verleihung des erblichen Adels, 
1882 des erblichen Freiherrnstandes. Mai 1890 Rücktritt in den Ruhestand.
	        
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