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konnte, und Bayern reservirte, worauf es vermöge seiner Machtstellung in dem
neuen Staatenbunde Anspruch erheben durfte, sowie die Verteidigung desselben
in den bayerischen Kammern bildet den Glanzpunkt in der äußeren Politik des
Ministers. „Selten ist nur“ — bemerkte die „Straßburger Post“ in einem Ueber-
blick seiner dienstlichen Wirksamkeit — „von den staatsmännischen Helfern des
Fürsten Bismarck bei der Aufrichtung des Reichs die Rede gewesen; die Zeit
wird kommen, und vielleicht ist sie näher, als man glaubt, in welcher auch diese
Männer volle Anerkennung finden werden; in ihren vordersten Reihen wird
der Name des Ministers v. Lutz glänzen."“
Nach Aufrichtung des Deutschen Reichs erwarb sich Lutz das Verdienst,
den König Ludwig II. vor dem Anschluß an jene Partei zu bewahren, welche
eine ausgesprochene centrifugale, ja reichsfeindliche Richtung verfolgte. Erleichtert,
ja ermöglicht wurde Lutz diese Politik allerdings durch die schonende und ent-
gegenkommende Weise, in welcher Bismarck Bayern behandelte und infolge davon
dieser sich das besondere Vertrauen des Königs erwarb.
Bei dem 1871 beginnenden Kulturkampf machte sich Lutz die Abwehr der
ultramontanen Herrschaftsgelüste zur Hauptaufgabe im Reich und in Bayern, dort
durch Anregung des sogenannten Kanzelparagraphen, hier durch Inschutznahme
der altkatholischen Bewegung und durch Besetzung der erledigten Bistümer mit
gemäßigten, friedliebenden Bischöfen. Er blieb aber auch hier stets in der
Defensive und vermied ängstlich die von Falk inaugurirte aggressive Kirchenpolitik,
die nur durch ein späteres Zurückweichen auf der ganzen Linie geheilt werden
konnte, während Lutz sich nur gezwungen sah, in Bezug auf die Altkatholiken
den früheren Standpunkt aufzugeben.
Als die schwerste seiner Regierungshandlungen ist ihm die erschienen, da
er mitwirken mußte, den König Ludwig II., der ihn mit Beweisen seiner Gnade
und seines Vertrauens überschüttet hatte, als regierungsunfähig zu erklären.
In jenem tragischen Momente konnte dies als eine herzlose Undankbarkeit er-
scheinen; die Folge hat aber gelehrt, daß es eine solche nicht, wohl aber eine
jener furchtbaren Notwendigkeiten war, welche vom Staatsmann bisweilen fordern,
daß er seiner selbst vergesse. 1)
Nach der Berger Katastrophe blieb Lutz noch im Amt, bis im Mai 1890
der besorgniserregende Fortschritt einer Herzkrankheit ihn nötigte, um seinen
Abschied zu bitten. Bereits ein Vierteljahr später beklagte Bayern den Heim-
gang eines seiner größten Staatsmänner, der, nebenbei gesagt, am Ende seines
Lebens noch recht traurige Erfahrungen hatte machen müssen, und bei dem
gleichfalls der Satz in Erfüllung ging: Undank ist der Welt Lohn.
Die Thätigkeit von Lutz im Bundesrat war mehr oder minder begrenzt,
den Haupteinfluß hatte er in großen Fragen bei Abfassung der Instruktionen
1) „Neue Freie Presse“ vom 3. Juni 1890.