— 143 —
der Landeshoheit, das Bildnis der Landesherren auf den gemeinsamen Reichs-
münzen zu erhalten.
Nach Schluß der Bundesratssession begab sich Herr v. Nostitz, der damals.
in Berlin noch keine ständige Wohnung genommen hatte, vielmehr im Hotel
Windsor wohnte, nach Dresden. Erst am 5. Mai 1872 kehrte er nach Berlin
zurück, wo er sich seit dem 15. März durch den Geheimen Finanzrat Wahl
hatte vertreten lassen. Wegen seiner verspäteten Ankunft in Berlin fielen ihm in
der Hauptsache nur Referate über den Landeshaushalt von Elsaß-Lothringen zu.
Der nächste Aufenthalt des Herrn v. Nostitz zu den Beratungen des Bundes-
rats währte im November und Dezember 1872 drei Wochen lang und dem-
nächst vom 18. Februar 1873 ab. Nachdem im März 1873 Herr v. Könneritz
zum Ober-Hofmarschall ernannt worden war, wurde Herr v. Nostitz zum außer-
ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister am Berliner Hofe ernannt
und erhielt damit die Führung der sächsischen Stimmen im Bundesrat. Am
25. Mai 1873 erfolgte seine Antrittsaudienz bei dem König Wilhelm; im
Herbste desselben Jahres wurde er auch noch zum Mitgliede der Verwaltung
des Reichs-Invalidenfonds und des Disziplinarhofs für die Reichsbeamten in
Leipzig erwählt. Da Bismarck von 1873 ab nur höchst selten den Vorsitz im
Bundesrat übernahm, so sprach v. Nostitz ihn seit Antritt seines Amtes in der
Hauptsache nur gelegentlich im Reichstag.
Von den Arbeiten des Bundesrats interessirte Nostitz besonders das Bankgesetz;
Bismarcks (später aufgegebenes) Projekt, alle Eisenbahnen zu Reichseisenbahnen zu
machen, erfüllte ihn mit Sorge, ebenso der unerwartete Rücktritt Delbrücks vom
Reichskanzler-Amt. Infolge der Ernennung zum Mitgliede der Kommission,
welche über Beschwerden gegen die Ausführung des Gesetzes gegen die Aus-
schreitungen der Sozialdemokratie durch die Lokalpolizeibehörde zu entscheiden
hatte, legte Nostitzim Oktober 1878 die seit 1873 bekleideten Funktionen eines-
Mitgliedes des Reichs-Disziplinarhofs nieder.
Im Laufe seiner ganzen Thätigkeit im Bundesrat ist es Herrn v. Nostitz.
gelungen, jeden Konflikt mit Bismarck zu vermeiden, ohne seiner Regierung.
etwas zu vergeben. Wenn gleichwohl seine Berufsfreudigkeit mitunter nahe
daran war, zu erlahmen, so lag dies wohl mehr in den Verhältnissen der
bundesrätlichen Thätigkeit selbst, der das Bewußtsein einer schöpferischen Leistung
stets, einer nutzbringenden vielfach fehlte.
Im März 1884 hatte Herr v. Nostitz drei lange, sehr interessante Unter-
redungen mit dem Reichskanzler, 1) welcher verjüngt und voll neuer Pläne und.
politischer Kampfeslust von Friedrichsruh zurückgekehrt war. Dieselben betrafen
zunächst die im Programm der neugebildeten „deutsch-freisinnigen“ Partei auf-
gestellte Forderung eines verantwortlichen Reichsministeriums, hiernächst aber
1) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt.