v. Nostitz war kein blinder Verehrer Bismarcks, kein enthusiastischer An-
hänger des Kanzlers, der bei ihm nur Licht sah und jede seiner Maßregeln
von Haus aus billigte; dazu war er zu kritisch veranlagt. Aber eben dieser
kritische Geist ließ der Größe Bismarcks doch die weiteste Anerkennung zu teil
werden, und das Vertrauen, welches der Kanzler Nostitz gegen das Ende seiner
amtlichen Laufbahn schenkte, beweist, daß umgekehrt auch Bismarck zum Schlusse
ihm ein Gefühl entgegenbrachte, welches bei seiner sonstigen Menschenverachtung
besonderen Wert hat, nämlich das des Respekts.
4. Württemberg.
Justizminister v. Mittnachtt)
(geboren 17. März 1825)
machte die Bekanntschaft Bismarcks als Mitglied des Zollparlaments, dem der-
selbe von 1868—1870 angehörte. Am 1. Mai 1868 lhhatte Mittnacht eine
Zusammenkunft mit Karl Braun wegen der württembergischen Wahlen, die
damals viel von sich reden machten. Vom 21. bis 27. September 1870 nahm
Mittnacht in München an den Besprechungen der bayerischen Minister mit dem
Bundeskanzler-Amts-Präsidenten Delbrück über die deutsche Verfassungsfrage teil.
Ueber diese Besprechungen ) sagte Delbrück am 6. Dezember 1870 im Nord-
1) Hermann v. Mittnacht, geb. in Stuttgart, studirte Jura in Tübingen und Heidel-
berg und trat 1849 in den württembergischen Justizdienst, in welchem er als Staats-
anwalt, Stadtgerichts-Vorstand in Stuttgart sowie als Ober-Tribunalsrat und Mitglied
des Ober-Handelsgerichts thätig war. Mitglied der Bundes-Liquidations-Kommission in
Frankfurt a. M. vom Februar bis April 1867. Am 27. April 1867 erfolgte seine Er-
nennung zum Chef des Justiz-Departements. In weiteren Kreisen war der neue Minister
bereits bekannt geworden durch seine Thätigkeit in der Abgeordnetenkammer, welcher er seit
Juli 1861 als Abgeordneter von Mergentheim ohne Unterbrechung bis heute angehört.
Von 1868—1870 war v. Mittnacht auch Mitglied des Zollparlaments. Nach dem Rücktritt
des Ministers Freiherrn v. Varnbüler am 31. August 1870 übernahm zufolge Königlichen
Dekrets vom 2. September 1870 der Justizminister die Leitung der Geschäfte des Königlichen
Geheimen Rats. Durch Königliches Dekret vom 19. Januar 1872 wurde Mittnacht mit dem
Vorsitze im Ministerrat förmlich betraut. Am 27. August 1873 übernahm er nach dem
Rücktritt des Freiherrn v. Wächter die interimistische Verwaltung auch des Ministeriums
der auswärtigen Angelegenheiten und der damit verbundenen Verkehrsanstalten, worauf
am 23. November 1873 seine Ernennung zum Minister der Familienangelegenheiten des
Königlichen Hauses und der auswärtigen Angelegenbeiten erfolgte. Am 1. Juli 1876 nach
Erlaß des Gesetzes über die Bildung eines Staatsministeriums wurde der Staatsminister
der Justiz und der auswärtigen Angelegenheiten zum Präsidenten des Staatsministeriums
ernannt. Am 21. Dezember 1878 wurde v. Mittnacht, seiner Bitte entsprechend, von der
Verwaltung des Justizministeriums entbunden. Die übrigen von ihm bekleideten Aemter
hat er beibehalten.
2) Vgl. darüber Georg Meyer: „Die Reichsbegründung und das Großherzogtum
Baden,“ Heidelberg 1896, S. 61 f.
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. II. 10