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deutschen Reichstag, daß sie durch Mittnachts Teilnahme wesentlich gefördert
worden seien. Durch hinterlassene und veröffentlichte Briefe Laskers ist bekannt
geworden, daß Mittnacht bei den Münchener Besprechungen die Anregung gegeben
hat zur Ausdehnung der Kompetenz der Reichsgesetzgebung auf Presse und
Vereinsrecht.
Am 20. Oktober 1870 reiste Mittnacht mit dem Kriegsminister v. Suckow
nach Versailles, wo mit den Vertretern der süddeutschen Staaten über die
bundesstaatliche Neugestaltung Deutschlands die entscheidenden Unterhandlungen
gepflogen wurden. Am 25. November 1870 unterzeichneten beide Minister in
Berlin die zwischen dem Norddeutschen Bund, Baden, Hessen und Württemberg
über die Gründung eines Deutschen Bundes abgeschlossenen Verträge. Am
8. Dezember 1870 nahm v. Mittnacht an der Verhandlung in Berlin teil, in
welcher der Beitritt Bayerns zu der neuen Verfassung festgestellt ward, und
am 20. Februar 1871 als stimmführender württembergischer Bevollmächtigter
an der ersten Sitzung des Bundesrats, dessen Mitglied er seither geblieben ist.
Kurz darauf reiste er von Berlin nach Versailles, wo er am 26. Februar 1871
die Friedenspräliminarien zugleich mit dem Minister der auswärtigen Angelegen-
heiten Freiherrn v. Wähchter unterzeichnete.
Von M. Busch wissen wir, daß derselbe in Versailles am 1. März 1871
an dem Diner des Kanzlers teilnahm und dort eine Geschichte zum besten
gab von einem hohen Herrn: „Ich weiß nicht, ob sie Ihnen schon bekannt ist,“
— sagte er — „wie er gegen einen, der ihm vorgestellt worden ist, bemerkt hat:
„Ah, freut mich sehr, ich habe so ungemein viel Rühmliches von Ihnen gehört
— was war's nur gleich.““ Allgemeines Gelächter.i1)
Mittnacht kam in Versailles natürlich auch mit dem deutschen Kronprinzen
öfter zusammen. In dessen Tagebuch finden wir am 25. Oktober 1870 den
Eintrag: „Die süddeutschen Minister speisen bei mir, Mittnacht gilt als der
fähigste, er spricht sich in erbetener Privataudienz günstig aus, ebenso Suckow."
Und unterm 12. November 1870: „Die württembergischen Minister sind plötzlich
auf schlechte Nachrichten abgereist, als sie unterzeichnen wollten; das ist eine
Intrigue Gassers; Suckow und Mittnacht sind ehrlich."“
Sehr interessante Aufschlüsse gab Mittnacht in der Sitzung der württem-
bergischen Kammer der Abgeordneten vom 8. Februar 1872 über die Entstehung
der Reichsverfassung, im besonderen die Bedeutung der Art. 4 und 78 der
Verfassungsurkunde. Die württembergische Regierung habe bei Gründung des
Deutschen Reichs als Schutz gegen übereilte Verfassungsänderungen eine
Dreiviertelmehrheit erstreben und unter dieser Voraussetzung unter „Verfassungs-
änderung“ auch die „Kompetenzerweiterung“ mit verstehen wollen.
1) M. Busch, „Graf Bismarck und seine Leute“, Volksausgabe, S. 629; vgl. auch
S. 192.