Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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Mit dem Wunsch einer Dreiviertelmehrheit für Verfassungsänderungen sei 
der Redner (Mittnacht) also nach München gegangen, wo sich nun heraus- 
gestellt, daß Bayern für sich verlangte, daß ihm erstens bezüglich aller eine 
Erweiterung der Bundeskompetenz und zweitens aller das Stimmrecht sowie 
die Sonderstellung Bayerns betreffenden Verfassungsänderungen ein Veto ein- 
geräumt werde. Dieses speziell bayerische Veto wäre, zum mindesten gesagt, 
doch sehr eigentümlich gewesen, und Redner habe deshalb alsbald ein gemein- 
sames Veto einiger weniger Bundesglieder gegen Verfassungsänderungen befür- 
wortet. Außerdem aber habe er auch den Gedanken angeregt, ob nicht in die 
Verfassung eine besondere Bestimmung aufgenommen werden sollte des Inhalts, 
daß Kompetenzerweiterungen im einzelnen Fall zugelassen werden sollten 
unter Wahrung der für Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Formen, eine 
Bestimmung, die sich schon im § 63 der deutschen Reichsverfassung vom März 
1849 fand. Einen auf dieses letztere gehenden Zusatz habe Mittnacht auch in 
Versailles bei den Verhandlungen angeregt. „Dieser Zusatz wurde dann aber 
schließlich nicht beigefügt deshalb, weil von anderer Seite in einem solchen 
Zusatz eine gar zu direkte Einladung zu Verfassungsänderungen erblickt wurde." 
Bei jenen Versailler Konferenzen waren aber die Vertreter des Norddeutschen 
Bundes, Württembergs, Badens und Hessens ausdrücklich darin einig, daß unter 
Verfassungsänderungen auch Kompetenzerweiterungen zu verstehen und 
die besondere Erwähnung dessen in dem Verfassungsvertrage überflüssig sei. 
Dies sei bei Art. 4 besprochen worden. Bei Art. 78 sei dann die etwaige 
Modifikation der Reservatrechte zur Sprache gekommen. Daß solche nur mit 
Zustimmung des beteiligten Staates erfolgen könne, wurde zwar für selbstver- 
ständlich erklärt, aber auch noch protokollarisch festgestellt. Von einer Zu- 
stimmung der Landesvertretungen war, soviel sich Mittnacht erinnern 
zu können glaubte, nicht die Rede. 
So oft Mittnacht von 1868 an nach Berlin kam, und dies war jährlich 
zwei= bis dreimal, war derselbe der freundlich aufgenommene Gast an Bismarcks 
Tafel, und bekannt ist die Gepflogenheit des Kanzlers, nach Tisch mit seinen 
Gästen alle wichtigeren aktuellen Fragen durchzusprechen. Außerhalb Berlins 
besuchte Mittnacht den Reichskanzler 1875 in Varzin, 1879 in Gastein unmittel- 
bar vor der Reise Bismarcks nach Wien,") verschiedenemale in Friedrichsruh, 
einmal in Kissingen. 
Zum siebenzigjährigen Geburtstag Bismarcks (1. April 1885) spielte sich beim 
Frühschoppen im Kanzlerpalais eine reizende Scene ab. Mittnacht nahm bei 
seinem Toaste der Fürstin Bismarck gegenüber Aufstellung und sprach eine Zeit 
lang von all den deutschen Volksstämmen, die hier vertreten seien, von Vandalen, 
Märkern und Alemannen. Studentenverbindungen dieser Namen hatte er wohl 
1) Beide Besuche sind in Kohls Bismarck-Regesten nachzutragen.
	        
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