Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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Als der hessische Gesandte Hofmann in der Sitzung des Zollparlaments 
vom 18. Mai 1868 eine von Bismarck verschiedene Ansicht über die Kompetenz 
des Zollparlaments in Fragen der inneren Besteuerung in Hessen äußerte, nahm 
ihm Bismarck das oppositionelle Auftreten an sich nicht übel. „Nur dies“ — 
so sagte er ihm nach der Sitzung — „war unrecht, daß Sie die Kompetenz- 
frage bestritten. In öffentlicher Versammlung bestreitet man nicht die Kompetenz.“" 
Ein Auftreten eines Bevollmächtigten zum Bundesrat wie dasjenige Mitt- 
nachts in Fragen, in denen er selbst noch nicht entschiedene Stellung genommen 
hatte,!) konnte also Bismarck nur sympathisch berühren, und in der That ist er 
derjenige, der mit Bismarck am besten zu verkehren verstand. Kein anderes 
Mitglied des Bundesrats darf sich rühmen, bei Bismarck ein so freies Wort 
gehabt zu haben als Mittnacht. In vielen Fragen drang aber auch er nicht 
durch, beispielsweise als es sich darum handelte, das Schicksal von Elsaß- 
Lothringen zu entscheiden. Mittnacht sprach sich Bismarck gegenüber dahin aus, 
es sei das Beste, die neu erworbenen Länder mit Preußen zu vereinigen. 
Welche Gründe dafür ausschlaggebend waren, daß Bismarck diese Lösung 
perhorreszirte, mag dahingestellt bleiben. Aber es ist mir erst kürzlich noch von 
einem deutschen Staatsmann versichert worden, Mittnacht habe, wenn man 
heute nach 25 Jahren zurückblicke, recht gehabt. Die Anschließung der beiden 
Provinzen an Deutschland — so meinte jener Staatsmann — wäre so schneller 
vor sich gegangen; so, wie es sei, könne es doch nicht bleiben; früher oder 
später würde Elsaß-Lothringen doch ein Bundesstaat werden, mit eigener Ver- 
tretung im Bundesrat, und schließlich würde doch kaum etwas anderes erübrigen, 
als eine Secundogenitur für einen Prinzen des kaiserlichen Hauses zu schaffen. 
Zu den Angelegenheiten, bei welchen Mittnacht den Anregungen Bismarcks 
nicht zu folgen vermochte, gehörte die Frage der Reichseisenbahnen und die 
Befassung der Reichsgesetzgebung mit der Regelung des Güter-Tarifwesens. 
Beide Fragen wurden bekanntlich vom Reichskanzler schließlich nicht weiter 
verfolgt. 
Bei Gelegenheit seines fünfundzwanzigjährigen Ministerjubiläums wurde 
Mittnacht durch ein Handschreiben des Kaisers vom 20. April 1892 aus- 
gezeichnet, in welchem auch dessen Thätigkeit als Bundesratsmitglied rühmlich 
anerkannt wurde.:) Ein ähnliches Handschreiben erhielt Mittnacht unter Ver- 
1) Bismarck duldete nur nicht eine Opposition im Bundesrat gegen seine eigenen 
Absichten, wenn er davon überzeugt war, daß deren Durchführung für das Wohl des 
Reiches unerläßlich sei. (Resorm des Zolltarifs 1879, Hamburger Zollanschluß.) 
2) Das vom preußischen Gesandten übergebene Handschreiben des Kaisers hat 
solgenden Wortlaut: 
„Es ist zu Meiner Kenntnis gelangt, daß am 27. April d. J. der Tag wiederkehrt, 
an welchem Sie, Herr Ministerpräsident, vor 25 Jahren von weiland Seiner Majestät 
dem hochseligen Könige Karl von Württemberg in das Ministerium berufen worden sind. 
Sie haben sich während dieser Zeit, welcher die glorreichsten und folgenschwersten Ereignisse
	        
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