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höchsten Stelle Württembergs, des hochseligen wie des jetzt regierenden Königs,
vollkommen eins wußte und weiß. Daß Herr v. Mittnacht den Fürsten Bis-
marck, den uns Württembergern tief in die Herzen gepflanzten Schöpfer unseres
Deutschen Reiches, bei seiner Anwesenheit in Süddeutschland besucht, ist ein
Vorgang, der für unbefangene Leute gar keiner weiteren Erläuterung bedarf.
Vor 1890 pflegten ja auch mehrere bayerische Minister regelmäßig zum Besuch
des Fürsten nach Kissingen zu gehen. Seitdem er nicht mehr im Amt ist, hat
das aufgehört, aber die Beziehungen jener Herren zum alten Kanzler sind auch
nie so persönlicher Art gewesen und beruhten nicht auf so großen gemeinsamen
Erinnerungen wie bei Herrn v. Mittnacht. Lebte Herr v. Lutz noch und wäre
er noch Ministerpräsident in Bayern — wir sind überzeugt, er würde auch
1890 seine Besuche in Kissingen nicht unterlassen haben. Der Inhalt der
Gespräche, welche Herr v. Mittnacht mit dem Fürsten Bismark gepflogen, ist
natürlich sein Geheimnis; sie werden sich ja wahrscheinlich nicht auf das Wetter
und die Kurliste, sondern auf solche Dinge bezogen haben, die uns Deutschen
allen am Herzen liegen, und jedenfalls ist Herr v. Mittnacht, wenn nicht der
einzige, so doch zweifellos einer der wenigen deutschen Minister, mit welchen
der Fürst sich in vollster Offenheit aussprechen kann. Erinnert man sich, daß
der Besuch zwischen der Thüringer und der Frankfurter Rede erfolgte, so darf
man allerdings wohl annehmen, daß ein Gegenstand, welcher den Fürsten so
lebhaft beschäftigt, auch in seinen Gesprächen mit Herrn v. Mittnacht nicht
unberührt geblieben ist.“
Zum Schluß wird noch erzählt, daß Herr v. Mittnacht auch im Sommer
1892 den Fürsten Bismarck habe besuchen wollen, aber behindert gewesen sei,
seinen Entschluß auszuführen.
Alles in allem genommen, kann Württemberg darauf stolz sein, in den
Bundesrat zwei Männer geschickt zu haben, von denen der eine ein intimer
Freund des Bismarckschen Hauses war (Freiherr v. Spitzemberg), der andere,
Mittnacht, einer der bedeutendsten politischen Köpfe im Bundesrat, auf dessen
Stimme Bismarck viel hielt. Der Minister keines der anderen Staaten hat
dort eine so bedeutsame Thätigkeit entfaltet als Mittnacht. Unwillkürlich kommt
einem der Gedanke, wie sehr sich der Bundesrat Glück dazu hätte wünschen
können, wenn eine Kraft wie die Mittnachts dauernd für seine Beratungen
hätte gewonnen werden können.
Minister des Innern v. Scheurlent!)
(geboren 3. September 1824, gestorben 1. April 1872).
Scheurlen wurde 1870 an Stelle Geßlers Minister des Innern, weil
man einen energischen Minister für dieses Portefeuille brauchte, angesichts der
1) Karl Friedrich v. Scheurlen, geboren zu Tübingen. 1847 Gerichtsaktuar bei dem
Oberamtsgericht Heilbronn, 1850 Kollegialhilfsarbeiter bei dem Königlichen Gerichtshof für