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In der Reichstagssitzung verabschiedete sich Mittnacht von mir und teilte
mit, daß nunmehr Spitzemberg Stimmführer im Bundesrat sei. Ueber Schaf—
fung eines gemeinsamen Wahlrechts wurde lange und sehr lebhaft debattirt,
schließlich stieg auch Mohl auf die Tribüne, drei- bis viermal mußte ihm der
Präsident mit der Glocke Gehör verschaffen — eine bedauernswürdige Rolle.
10. November: Wenn ich alles erwäge, so kann ich nicht leugnen, daß
die hiesige Stellung meinem Geschmack entsprechen würde . .. Schade, daß ich
nicht zehn Jahre jünger bin und Jus studirt habe
11. November. Nach der Reichstagssitzung um 2 Uhr in den Ausschuß 1,
wo Holleben über Bayerns Antrag zur Annahme des preußischen Kriegsdienst-
gesetzes mündlich referirte. Auf meinen Antrag wurden § 2 und 3 vertauscht;
sodann kam Badens Antrag zur Annahme des Quartierleistungsgesetzes zur
Beratung. Zuletzt berichtete Bülow über die Schulkommission, indem er vor-
schlug, Preußen, Sachsen und Württemberg eine permanente Stimme einzu-
räumen und die beiden anderen Stimmen unter den übrigen Staaten alterniren
zu lassen. Damit konnte ich mich natürlich nur einverstanden erklären.
½87 Uhr in die Sitzung der Rayonkommission, die wieder bis nach 10 Uhr
dauerte.
12. November: 2 Uhr Bundesratssitzung, in der Delbrück präsidirte;
Bayern in seinen Vorbehalten betreffend Maaß und Gewicht wurde überstimmt.
Auf die Tagesordnung wurde noch die Paßvorschrift gesetzt.
13. November: Reichstagssitzung 11 Uhr, heftiger Wortwechsel zwischen
Bebel und Lasker, ersterer schließlich durch allgemeines „Pfui“ zum Schweigen
gebracht.
Abends erhielt ich das Friessche Votum. Ich ging in die Garnison-
vorlesung, in welcher Major Blume einen Abriß der Operationen der Südarmee
gab. Hierdurch versäumte ich die Rayonkommissionssitzung; die Vorlesung war
mir aber jedenfalls interessanter.
14. November: 12 Uhr in Gruppe III, wo Richter u. s. w. ihr Frage-
system fortsetzten. Michaelis wollte nur eine vertrauliche Antwort über die
Bezahlung seitens Frankreichs erteilen, Hoverbeck wies dies aber stolz zurück.
Karczewski beschränkte sich auf möglichst unbestimmte Antworten. Er bat uns,
d. h. Fries, Holleben und mich, morgen 2 Uhr zu ihm zu kommen, um die
Richtersche Berechnung zu prüfen und weitere Fragen zu beantworten.
15. November: Nach der Reichstagssitzung um 2 Uhr Konferenz bei
Karczewski wegen Beantwortung der Richterschen Etatsfragen. Fries wollte
erklären, daß er gar nicht nötig habe, Aufschlüsse zu geben; Karczewski und
Holleben aber waren der Ansicht, er solle nichts brüskiren, und dazu entschloß
er sich denn auch. Für Württemberg sei durch die Konvention alles auf drei
Jahre gesichert.
16. November: ½11 Uhr Sitzung des I. Ausschusses. Fries referirte
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. II. 11