Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

— 166 — 
die Verfassung. In den Kreisen der Reichstagsabgeordneten erfreute er sich bei 
Gelegenheit seiner mehrfachen Besuche in Berlin einer besonderen Beliebtheit. 
In Berlin war derselbe anwesend zur Teilnahme an den Verhandlungen 
des Bundesrats: vom 23. November bis 9. Dezember 1870, vom 21. Februar 
bis 1. April 1871, vom 7. Dezember bis 23. Dezember 1872, vom 8. März 
bis 8. April 1873, vom 2. bis 18. November 1873, vom 13. Februar bis 
20. März 1874, vom 20. April bis 6C. Mai 1874, vom 20. November bis 
22. Dezember 1874, vom 14. bis 22. Januar 1875, vom 17. Oktober bis 
18. November 1875, vom 2. bis 12. April 1876. 
Ueber die ersten Beziehungen Freydorfs zu Bismarck finden sich wertvolle 
Notizen 1) in der Schrift: „Die Reichsbegründung und das Großherzogtum 
Baden“ von Georg Meyer (Heidelberg 1896, Verlag von Gustav Koester). Im 
einzelnen ist nachstehendes zu bemerken. Am 3. August 1866 waren Mathy, 
v. Freydorf und Jolly in das badische Ministerium berufen worden. Kurz 
darauf begab sich der Präsident des Ministeriums v. Freydorf zu den Friedens= 
unterhandlungen nach Berlin. Am 9. August fand die erste Unterredung 
zwischen ihm und dem Grafen Bismarck statt.:) Den Eintritt Badens in 
den Norddeutschen Bund, überhaupt die Herstellung eines staats- 
rechtlichen Verhältnisses des Großherzogtums zu demselben lehnte 
Bismarck mit Entschiedenheit ab. Er berief sich auf die vertragsmäßigen Verbind- 
lichkeiten, welche Preußen in dieser Beziehung sowohl Frankreich als namentlich 
auch Oesterreich gegenüber übernommen habe. Aber die Ausdehnung des Nord- 
deutschen Bundes, meinte er, sei nur eine Frage der Zeit. Es ließen sich Fälle 
denken, wo dieselbe unbedenklich erfolgen könne, zum Beispiel wenn Frankreich 
über seine dermaligen Anforderungen hinausgehen sollte. Auch später sei sie 
möglich, wenn die süddeutsche Bevölkerung selbst den Anschluß an Preußen 
entschieden verlangen würde. Bei der jetzigen Stimmung in Bayern und 
Württemberg aber werde ein solches engeres Verhältnis immer als ein durch 
Krieg, Sieg, Frieden erzwungenes angesehen werden und ein Odiosum bleiben. 
Freydorf bemerkte dem gegenüber, in Baden liege die Sache anders. Die 
auf engen Anschluß an Preußen gerichtete Politik der Regierung finde eine 
entschiedene Stütze im Volke, namentlich in dem besseren und gebildeten Teile 
desselben. 
Mit der Herstellung eines völkerrechtlichen Verhältnisses war 
Bismarck einverstanden. Aber er wünschte die Verhandlungen darüber bis nach 
Konstituirung des Norddeutschen Bundes zu verschieben. Wesentliches Gewicht 
1) Wertvoll besonders um deswillen, weil der Verfasser bei Abfassung der Schrift mit 
Genehmigung des Ministers v. Brauer die Akten des badischen Ministeriums der aus- 
wärtigen Angelegenheiten benutzen durfte. 
2) In Kohls Bismarck-Regesten ist bloß das Datum der Unterredung vermerkt (ohne 
Inhaltsangabe). Uebrigens schreibt Kohl „Freidorff“ statt „Freydorf“.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.