— 172 —
liegen einige Meter unter dem Straßenniveau, und längs den Mauern der
Nordseite ebenso wie unter der Brücke kampirten Haushaltungen im Freien;
höchstens waren einige Bretter schräg an die Wand gestellt, um die Schlaf-
stelle dahinter zu verbergen. Es waren teils obdachlose Familien, teils solche,
die sich hier gegen die Bomben geschützter glaubten. Ein kleiner etwa sieben-
jähriger Knabe lief da unten in roten Hosen, blauem Uniformrock und Soldaten-
käppi herum. Berthold erzählte, daß eine Menge dieser kleinen Kadetten, die
auf Staatskosten erzogen werden, auch bei der Uebergabe mit herausgekommen
wären, mit kleinen Gewehren bewaffnet. Man hatte sie natürlich laufen lassen.
Wir besuchten das Münster, das verhältnismäßig sehr wenig gelitten hat.
Ein Trupp Soldaten wurde gerade von ihren Offizieren darin herumgeführt; wir
konnten nicht auf die Plattform, da die Treppe von Soldaten gedrängt voll war.
Noch wanderten wir über die Esplanade zur Citadelle, doch durften wir,
da innerhalb an den den Einsturz drohenden Thoren gearbeitet wird, nur über
die Brücke einen Blick in die Verwüstung werfen. Mitten auf dem Platz stand
ein roter Plüschsessel, wahrscheinlich hatte sich den der wachhaltende französische
Offizier hieher transportiren lassen. Hinter dem Wall gesichert war die Ponton-
brücke, und im Hof des Arsenals standen unzählige Kanonen und lag eine Un-
masse Munition aufgehäuft.
Wir verabschiedeten uns von den Freunden, ihnen Glück auf den Weg
nach Paris wünschend, fuhren auf einem Kahn über den Rhein und in dem
überfüllten Eisenbahnzug — zwanzig Personen im Coupé, das für zwölf be-
rechnet war — zurück nach Karlsruhe.
*
12. Februar 1871.
Gestern kamen 1500 Gefangene der Armee Bourbakis hier durch. Ein
Elsässer Soldat der Linie erzählte, er sei eben mit mehreren Kameraden beim
Frühstück gewesen, als ein badischer Dragoner erschienen sei und sie für ge—
fangen erklärt habe. Ihnen sei's recht gewesen und sie hätten den Reiter nur
gebeten, noch mehr Dragoner herbeizuholen, weil es sich schlecht ausnehmen
würde, wenn sich so viele von einem transportiren ließen. Der Dragoner
willfahrte, und die Gesellschaft ging vergnüglich mit.
*
Erinnerungen aus der Reise nach Versailles,
welche v. Freydorf in Begleitung von Staatsminister Jolly, Legationsrat Handegg und
einem Sekretär am 20. Oktober 1870 antrat.
Auszüge aus Briefen und Tagebuch.
Donnerstag, 20. Oktober 1870.
Wir konnten mit der Bahn, die von Straßburg nun auch seit dem
16. dieses Monats wieder in Betrieb ist, heute schon bis Vitry-le-Francais