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kommen; so waren wir weiter, als wir erwartet, denn wir hatten uns nur
bis Nancy sichere Hoffnung gemacht. Ein Bediensteter der Eisenbahn führte uns
in das etwas befestigte Städtchen, welches sich einigen Husaren auf Aufforderung
übergeben hatte, und klopfte die Wirtin des kleinen „Hotel du Renard“ heraus.
Den andern Morgen 5 Uhr wieder auf den Weg über Loisy und Vitry-
la-Ville nach Chalons-sur-Marne. Vor Chalons war kürzlich eine Schiene
losgelöst, gebogen und wieder lose an Ort und Stelle gelegt worden. Der
Lokomotivführer beachtete wohl einen falschen Spiegel auf der Schiene, fuhr
aber, weil sie in richtiger Lage schien, darauf zu. Der Zug mit verwundeten
Bayern entgleiste, es wurden mehrere Mann getötet und verletzt. Die Trümmer
der Wagen liegen noch links der Bahn. Eine durch ähnlichen Anlaß entgleiste
Lokomotive nebst Wagen lag jenseits Epernay rechts der Bahn. Die wegen
ersterer That verhafteten Leute behaupteten, vom Grafen X., dessen Schloß man
mir zeigte, mit 1000 Franken für die That erkauft zu sein. Der Graf ward,
ruhig beim Frühstück sitzend, verhaftet.
Vor Nanteuil hört die Eisenbahn auf. Es steht zwar noch die Brücke
über die Marne, welche die Bahn bei diesem Ort zu passiren hat, aber der
gleich dahinter liegende gesprengte und verschüttete Tunnel ist ein unüberwind-
liches Hindernis. Wir verließen Nanteuil in einer Art Omnibus, den der
Etappenkommandant stellte. — Die Dörfer, durch die wir fuhren, waren meist
verlassen; das Militär war gewaltsam in die Häuser eingedrungen. Die Brücken
über die Marne sind gesprengt; wir mußten auf Umwegen und über Not-
brücken über den Fluß fahren. Wir begegneten zurückkehrenden Einwohnern.
Es war dunkel, als wir in Meaux ankamen. Der Etappenkommandant
machte wenig Hoffnung auf Ouartier für die Nacht und Weiterbeförderung für
den kommenden Tag. Doch bekamen wir, nachdem wir an einem halben Dutzend
Wirtshäuser abgewiesen, ein Zimmer mit drei Betten im „Hotel aux trois Rois“.
Die Wirtschaft war schlecht, schmutzig, teuer. Für die zwei Diener zum Bei-
spiel, die irgendwo am Boden schlafen mußten, betrug die Rechnung 16 Franken.
Früh am andern Morgen kam zuerst in weißer Krawatte der Maire von
Meaux an mein Bett, hielt dem kaum Erwachten eine lange Rede, daß und
warum es ihm, trotz eindringlicher Requisition des Etappenkommandanten, un-
möglich sei, einen Wagen zu stellen. Ich suchte ihm ins Wort zu fallen, um
ihm, ehe er sich zu sehr in die Unmöglichkeit hineinredete, begreiflich zu machen,
daß wir den Wagen zahlen und gut zahlen wollten. Vergebliche Mühe; so
oft ich den Mund aufthat, machte der weiße Glacéhandschuh des Maire eine
abwehrende Bemerkung: „Permettez" — der Maire redete fort, und bald
waren alle Wagen seit acht bis vierzehn Tagen, ohne daß die Eigentümer um
deren Schicksal wußten, unterwegs, und waren alle noch in der Stadt befind-
lichen Wagen und Pferde, wie der Maire, qui s'était occupé lui-meme de
cette affaire, selbst gesehen, vom harten Dienst zerbrochen und lahm und